AfD im Aufwind: Warum rationale Argumentation der bessere Weg ist
Seit Monaten steigen die Umfragewerte für die AfD. Erstmals konnte die Partei nun auch einen Landratsposten gewinnen. Von den anderen kommen als Reaktion die ewig gleichen Beißreflexe. Das ist aber kein Weg, die Zustimmung zur AfD zu brechen.
Far-right AfD wins vote to lead district in East German federal state of Thuringia for first time / Photo: Reuters (Reuters)

Die AfD kann im Moment zufrieden sein: In Umfragen schneidet sie so gut ab wie nie zuvor. Am Sonntag hat die rechte Partei Geschichte geschrieben. Im zweitkleinsten Kreis der Republik gelang es der AfD, mit dem bisherigen Landtagsabgeordneten Robert Sesselmann erstmals auf einen Landratsposten gewählt zu werden. Zuvor hatten alle anderen Parteien dazu aufgerufen, in der Stichwahl den CDU-Kandidaten Jürgen Köpper zu wählen. Die Allparteienallianz konnte aber nicht verhindern, dass sich der AfD-Kandidat mit über fünf Prozent Vorsprung deutlich durchsetzen konnte. Nun stehen die anderen wieder wie das Kaninchen vor der Schlange. Die Reaktionen auf die Wahl sind wie immer und waren erwartbar.

„Alarmsignal für alle demokratischen Kräfte“

Thüringens Innenminister und SPD-Vorsitzender Georg Maier bezeichnete das Wahlergebnis als „Alarmsignal für alle demokratischen Kräfte“. Nun heiße es, „parteipolitische Interessen hintanzustellen und gemeinsam die Demokratie zu verteidigen.“

Für Grünen-Co-Chef Omid Nouripour ist das Wahlergebnis „ein schwarzer Tag für unsere Demokratie“. Auf Twitter schrieb er, dass „Wehret den Anfängen“ spätestens jetzt bedeute, dass demokratische Kräfte den Schulterschluss suchen müssten, um „diese Feinde Deutschlands“ zu bekämpfen.

Etwas näher an den tatsächlichen Herausforderungen ist der Linken-Ostbeauftragte Sören Pellmann, für den der Sieg der AfD eine „politische Zäsur“ ist. „Das muss ein allerletzter Warnschuss für alle Bundestagsparteien sein“, so der Bundestagsabgeordnete aus Leipzig. „Insbesondere die Bundesregierung darf nicht länger eine Politik machen, die keine Probleme löst, sondern zusätzliche schafft.“

Es gelte nun, Landtagswahlsiege der AfD in Ostdeutschland im kommenden Jahr zu verhindern. Dafür müsse die Politik Normalbürger in den Mittelpunkt rücken. „Wer die AfD klein machen will, muss die Wähler zurückgewinnen“, meinte Pellmann. „Dafür braucht es eine Politik der ausgestreckten Hand.“

Damit bringt es der Linken-Politiker auf den Punkt. Die AfD hat es im Moment so leicht, weil es ihr so leicht gemacht wird. Der momentane Erfolg der AfD liegt nicht darin begründet, dass die Partei überzeugende Antworten auf die Probleme hat oder ihr politisches Angebot so ansprechend ist. Die AfD wird im Moment von den anderen Parteien genährt.

Sehr hohe Unzufriedenheit mit Ampelregierung

Die Unzufriedenheit mit der Ampelregierung war selten so groß wie in den letzten Monaten. Laut „ARD-DeutschlandTrend“ war im Mai nur noch jeder Fünfte mit der Arbeit der Regierung zufrieden. Das heißt, 79 Prozent der Menschen in unserem Land sind mit der Regierungsarbeit weniger oder gar nicht zufrieden.

Tatsächlich gibt die Ampel seit Monaten ein schlechtes Bild ab: Die Grünen betreiben einen missionarischen Aktivismus und schaffen es nicht, die Menschen auf ihrem Weg mitzunehmen. Die SPD überlässt das Feld ihrem führungsschwachen Bundeskanzler Olaf Scholz, und die FDP weiß nicht, ob sie Regierung oder Opposition sein möchte.

Das ganze Hin und Her um das Heizungsgesetz von Habeck hat gezeigt, dass sich die Regierung im Moment lieber selbst blockiert als dass sie das Land regiert. Mit der angekündigten Reform der EU-Asylpolitik wurden öffentlich hohe Erwartungen geweckt, die nun auch erfüllt werden müssen. Das alles treibt Wähler in die Arme der AfD.

CDU auch Schuld

Man würde es sich allerdings viel zu leicht machen, wenn man die Schuldigen jetzt alleine auf der Regierungsbank sucht. Dies versucht immer wieder die CDU. Deren Vorsitzender Friedrich Merz war ursprünglich mal mit dem Ziel angetreten, die AfD zu halbieren. Davon hat er sich inzwischen längst verabschiedet. Mit dem Zeigefinger versucht er trotzdem ständig in Richtung Regierung zu zeigen, wenn es um die Umfragewerte der AfD geht. Das hilft nicht weiter, und die mangelnde Selbstkritik in der Debatte entsetzt.

Obwohl es große Unzufriedenheit mit der Arbeit der Ampelregierung gibt, gelingt es der CDU nicht, diese Unzufriedenheit auf ihr Konto einzuzahlen. Seit Monaten stagniert die Partei bei um die 28 Prozent. Die Lösung gegen das Hoch der AfD ist aus Sicht der CDU trotzdem recht einfach: Die Politik muss „liefern“, also Ergebnisse erreichen.

Dieses Rezept muss nicht unbedingt aufgehen. Das hat die Ampel im vergangenen Jahr gezeigt. Damals haben die Regierung und Scholz durchaus beachtliche Ergebnisse geliefert. Der prognostizierte Kältewinter wurde verhindert, und genug Energie konnte für Deutschland gesichert werden. Der Politikstil damals war sehr pragmatisch und weniger von Ideologie bestimmt. Trotzdem legte die AfD in Umfragen zu.

Das ist vielleicht dann auch das große Problem mit der AfD-Wählerschaft: Auf Ergebnisse kommt es ihr nicht unbedingt an. Daher muss die Partei auch nicht liefern. Niemand verlangt ihr Entscheidungen ab. Sie muss keine Mehrheiten für eine europaweite Asylpolitik organisieren. Sie muss nicht gegen die Inflation und die wirtschaftliche Rezession im Lande ankämpfen. Sie kann als Besserwisser und unzufriedener Meckerer am Spielfeldrand stehen und muss nur die Unzufriedenen einsammeln. Da ist sie dann in ihrer Ausrichtung auch unideologisch-pragmatisch.

In der Wirtschaftspolitik schwanken die Positionen zwischen mehr Staat und weniger. Außenpolitisch machte sich die Partei einmal für die Bundeswehraufrüstung stark, um sich nun im Ukraine-Konflikt als Friedenspartei zu geben. Unbestimmtheit und politische Spreizbarkeit sind die DNA der Partei und gleichzeitig ihr Erfolgskonzept.

Politik sollte die Erwartungen der Menschen erfüllen

Möchte man den Höhenflug der AfD stoppen, dann geht das nicht mit dem Pathos, dass man nun die Demokratie schützen müsse. Auch hilft es nichts, wenn man ständig betont, dass man sich von der AfD abgrenzen muss. Noch weniger förderlich ist es, wenn man ständig versucht, den politischen Mitbewerber in die Nähe der AfD zu rücken. Diese ideologischen Grabenkämpfe aus den 1990er-Jahren sind überholt und erzielen überhaupt keinen Effekt mehr bei den Wählern. Auch interessieren sich die Menschen nicht für Kooperationsverbote, die aus Parteizentralen vorgegeben werden. Sie wollen mit ihren Sorgen und Nöten aber von der Politik ernst genommen werden.

Die Menschen erwarten, dass Flüchtlinge menschenwürdig untergebracht werden und schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden. Sie erwarten, dass Menschen, die kein Bleiberecht haben, schnell abgeschoben werden. Ihre Kinder sollen an den Schulen von genug Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet werden. Unternehmer und Arbeitnehmer hoffen auf finanzielle Hilfen gegen die hohen Energiepreise. Die Menschen auf dem flachen Land brauchen bessere ÖPNV-Angebote und eine gute medizinische Versorgung. Der Auftrag an die Politik lautet daher: Die Erwartungen der Menschen erfüllen.

Auch wenn die AfD-Wählerschaft nicht unbedingt ergebnisorientiert ist, verbindet sie trotzdem Erwartungen mit ihrem Kreuz bei der AfD. Diese Erwartungen kann die AfD aber nicht erfüllen. Wenn es den anderen Parteien gelingt, sich nicht nur auf eine gemeinsame Ausgrenzung der AfD festzulegen, sondern besser die Probleme gemeinsam zu lösen, bleibt wenig Platz für die Stimmungsmache durch die AfD. Wenn es dem Land und seinen Menschen besser geht, dann sieht es schlecht für die AfD aus. Die anderen Parteien haben es in der Hand. Tatkräftig regieren und als Opposition konstruktiv sein. Komplizierte Entscheidungen den Menschen erklären und sie so mitnehmen. Da ist im Moment noch viel Luft nach oben.

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