Noch heute ist eine Straße im historischen Zentrum von Bagdad nach dem Kalifen Harun al-Rashid benannt.  (AFP)
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von Ufuk Necat Taşçı

In der Ära der Abbasiden wurde das „Haus der Weisheit“ (Bayt al-Hikma) in Bagdad seit dem 8. Jahrhundert unter Federführung des fünften Kalifen Harun al-Rashid zum weltweit bekannten Anziehungspunkt für Gelehrte und Wissensdurstige aus aller Welt.

Der siebte Kalif, Al Mamun, der von 813 bis 833 regierte, investierte persönlich Unmengen an Silber, um Texte und Aufzeichnungen aus dem alten Griechenland, Indien, Persien und Syrien in sein Reich zu holen, aufbereiten und übersetzen zu lassen. Sie alle sollten in die arabische Tradition einfließen. Ein Bereich, der ihm dabei besonders am Herzen lag, war die Sternenkunde – wobei es eine scharfe Unterscheidung zwischen Astronomie und Astrologie damals noch nicht gab.

Damals noch keine Trennung zwischen Astronomie und Astrologie

Dazu waren in den älteren Reichen bereits zahlreiche Bücher entstanden, und um die Bestände des Hauses der Weisheit zu erweitern, schrieb Al Mamun persönlich den Herrscher von Konstantinopel an und bat ihn um die Übersendung alter Schriften, sodass diese ins Arabische übertragen werden konnten. Isabella Bengoechea schrieb dazu in der „Times“:

„Damals wurde die Sternenkunde als Wissenschaft in der arabischen Gesellschaft in allerhöchsten Ehren gehalten. Man ging davon aus, dass die Gestirne und ihre Konstellationen die Ereignisse auf der Erde bestimmen, und deshalb wurde allem, was mit Sternen und Planeten zu tun hatte, bis ins Detail hinein Aufmerksamkeit geschenkt.“

Entsprechend gewannen wissenschaftliche astronomische Studien seit Gründung des Hauses der Weisheit eine immer größere Bedeutung. Der berühmte muslimische Gelehrte Al Khwarizmi war einer der ersten weltweit gefeierten Wissenschaftler, die älteste astronomische Tafeln zusammentrugen. Kalif Al Mamun machte ihn zu seinem Hofastronomen.

Al Mamun investierte hohe Summen in die Forschung

Die finanziellen Investitionen, die Al Mamun in die Forschung steckte, machten auch das erste Observatorium der islamischen Welt möglich. Dieses nutzten Al Khwarizmi und weitere Astronomen, um genaue Aufzeichnungen zu den von ihnen entdeckten Himmelskörpern anzufertigen. Später wurde in Damaskus ein weiteres Observatorium errichtet, sodass die Daten aus beiden miteinander verglichen werden konnten.

Al Mamun verfolgte mit seinen Investitionen vor allem die Absicht, die Darstellungen von Ptolemäus zu überprüfen, der als eine der bedeutsamsten Stimmen auf diesem Gebiet in der Antike galt. So wurde 828 das Shammasiyah-Observatorium als Teil der „Wissenschaftlichen Akademie des Hauses der Weisheit“ gegründet.

In den darauf folgenden Jahren erwarb sich Bagdad überregionalen Ruhm als Forschungsstandort, der große Astronomen anzog. Diese beobachteten „die Bewegungen der Sonne, des Mondes und der Planeten, was ihnen ermöglichte, ihre Forschungsergebnisse in einem Buch namens Mumtahan Zij zu präsentieren.“

Die Rolle der Brüder Banu Musa

Zu den bedeutsamsten Forscherpersönlichkeiten jener Zeit gehörten die Brüder Nanu Musa, die in Bagdad Techniken entwickelten, um minimale und maximale Sonnenstände sowie die Entwicklung von Mondfinsternissen zu beschreiben.

Die Brüder investierten dabei auch selbst große Geldsummen in die Beschaffung von Büchern, die Antikes dokumentierten. Am Ende wurde nach den Banu-Musa-Brüdern in Bagdad ein eigenes Observatorium benannt, von dem aus die „Ursa Major“-Gruppe, das Sternbild des Großen Bären, erstmals beobachtet wurde.

Das hohe Niveau der Forschung, die unter der Regentschaft Al Mamuns stattgefunden hatte, führte dazu, dass zahlreiche Wissenschaftler unterschiedlichster Disziplinen aus der gesamten damals bekannten Welt nach Bagdad kamen, um mit anderen Gelehrten ihre Erkenntnisse zu debattieren.

Äquatorialgürtel der Erde auf 500 Meter genau vermessen

Von Al Mamun geförderten Forschern gelang es sogar, die Länge des Äquatorialgürtels der Erde zu messen – so genau, dass spätere Berechnungen mit modernen Instrumenten lediglich 500 Meter an Abweichung ergaben.

Die Astronomen machten sich damals mitten in der Nacht auf den Weg ins Sindschar-Gebirge im Irak, wobei eine Gruppe nach Norden und die andere nach Süden ging, bis sie ein Grad der Erde ausgemessen hatten, wieder aufeinander zugingen und sorgfältig die Entfernungen berechneten.

Unter Al Mamuns Einfluss wurde Bagdad, das Zentrum des Abbasidenreiches, zu einem unübertroffenen Zentrum für das Studium der Geistes- und Naturwissenschaften, einschließlich Mathematik, Astronomie, Medizin, Chemie, Geographie, Philosophie, Literatur und Kunst – sowie weiterer Fächer wie Alchemie oder Astrologie.

Erst die Mongolen machten dem Haus der Weisheit und dem weltweiten Ruhm Bagdads ein Ende, als sie 1258 die Stadt angriffen.

TRT Deutsch