Die Aktien des chinesischen Immobilienkonzerns Evergrande sind am Freitag um elf Prozent eingebrochen, nachdem sie am Tag zuvor noch deutlich zugelegt hatten. Die Gesellschaft hat eine viel beachtete Zahlungsfrist für Anleihezinsen ohne Kommentar verstreichen lassen.
Die chinesische Zentralbank pumpte erneut Geld in das Bankensystem, um die nervösen Finanzmärkte zu beruhigen. Vonseiten der Regierung kam aber bislang immer noch nichts Offizielles zu möglichen Staatshilfen für Evergrande, auf die Investoren hoffen.
Das „Wall Street Journal“ hatte am Donnerstag unter Berufung auf Insider berichtet, die Behörden in Peking hätten die Lokalregierungen darum gebeten, Vorbereitungen für einen möglichen Zusammenbruch Evergrandes zu treffen. Der Konzern selbst hat Finanzberater engagiert, die eine Restrukturierung ausarbeiten sollen.
Der zweitgrößte Immobilienentwickler Chinas hat Schulden von mehr als 300 Milliarden US-Dollar. Experten fürchten, dass ein Kollaps schwerwiegende Folgen für das chinesische Finanzsystem haben könnte. Auch Auswirkungen in anderen Ländern halten manche für möglich.
Wachstum mit Schulden finanziert
Evergrande hat sein Wachstum in den vergangenen Jahren mit Schulden finanziert und ist nun in Zahlungsverzug gegenüber Banken, Anleihegläubigern sowie Kunden und Mitarbeitern geraten. Mehrere Ratingagenturen stuften die Kreditwürdigkeit herunter, Aktien und Anleihen gerieten in freien Fall. Auch soziale Probleme könnten entstehen. Bei Evergrande arbeiten 200.000 Menschen, mehrere Millionen Arbeiter werden jährlich für Bauprojekte angeheuert. Zudem haben viele Kleinanleger Geld in Evergrande-Finanzprodukte investiert.
Das Evergrande-Management versprach, primär diesen Anlegern Gelder auszahlen zu wollen. Die Zinsen für eine heimische Anleihe wurden zuletzt bedient. Über die am Donnerstag fällig gewesenen Zinsen in Höhe von 83,5 Millionen Dollar für eine Übersee-Anleihe sowie weitere 47,5 Millionen Dollar Zinsen, die nächste Woche bezahlt werden müssten, äußerte sich Evergrande bislang nicht. Für den Konzern beginnt nun eine 30-tägige Nachfrist, nach der dieser offiziell in Verzug geraten würde.
EZB-Chefin Lagarde hält Risiko für begrenzt
Europas Währungshüter halten die Auswirkungen der Krise des chinesischen Immobiliengiganten Evergrande für Europa derzeit für begrenzt. „Im Moment sehen wir das auf China konzentriert“, sagte die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit dem US-TV-Sender CNBC. „Für Europa kann ich sagen, dass es nur begrenzt direkt betroffen ist.“
Die Notenbank verfolge die Entwicklung, sagte Lagarde. „Ich erinnere mich noch sehr lebhaft an die jüngsten Aktienmarktentwicklungen in China, die sich auf die ganze Welt auswirkten. Aber in Europa und insbesondere im Euroraum wären die direkten Belastungen begrenzt.“ Mehr zum Thema: Chinas „Lehman“? Immobilienriese Evergrande lässt Börsen weiter zittern