Istanbuler Finanzzentrum. / Photo: AA (AA)
Folgen

Türkiye hat das riesige Istanbuler Finanzzentrum (IFM) am Montag (17. April) in Betrieb genommen. Bei der Zeremonie, an der auch Präsident Recep Tayyip Erdoğan teilnahm, wurde zunächst nur die Bankenetappe eröffnet. Das Zentrum mit 21 Bürogebäuden erstreckt sich über ein Gebiet von 1,4 Millionen Quadratmetern und weist einen Investitionswert von 65 Milliarden Türkische Lira auf. Damit ist es eines der wichtigsten und größten Projekte in der Geschichte von Türkiye. Erdoğan sprach bei der Zeremonie von einer Eröffnung mit „strategischem Wert“. Dass sich der Schwerpunkt globaler Finanzen zunehmend nach Asien und den Osten verlagere, bedeute mehr „Gelegenheiten“ für Istanbul. „Das Zentrum wird ein neues finanzielles Ökosystem in Istanbul erschaffen“, so der Präsident.

Finanzzentren der Welt: Bedeutende Projekte für das globale Finanzsystem

In einigen wichtigen Städten der Welt, die aus wirtschaftlicher und finanzieller, aber zugleich auch aus kultureller und politischer Perspektive relevant sind, befinden sich Finanzzentren. Dazu gehören etwa London, Paris, Brüssel, Frankfurt, Abu Dhabi, Hong Kong und Singapur. Und das aus gutem Grund: Finanzzentren bringen erhebliche Vorteile mit sich, von denen nun auch Istanbul profitieren wird.

Ein übergreifender Blick hilft dabei, die Bedeutung des Finanzzentrums in Istanbul besser zu verstehen. Warum sind diese Zentren nun so relevant und attraktiv für die Weltwirtschaft? Die Weltallianz Internationaler Finanzzentren (WAIFC) gibt eine ausführliche Antwort auf diese Frage. Der Schlüsselbegriff ist die Transformation, die der Finanzsektor in den letzten Jahren durchlaufen hat. Die fortschreitende Globalisierung und zunehmend transnationale Natur von Finanzdienstleistungen führen zu einer immer größeren Bedeutung von offenen und wettbewerbsfähigen Märkten. Finanzielle Innovationen und nachhaltige Finanzideen sind wichtiger denn je für das Wirtschaftswachstum.

Genau an dieser Stelle kommen Finanzzentren ins Spiel und schaffen gezielt Abhilfe. Sie bieten neue Chancen für Wachstum sowie Unternehmerschaft und konzentrieren sowohl die nötige Infrastruktur als auch Ressourcen auf einem Fleck. Sie passen sich gewissermaßen an die neue Realität des Finanzsektors an. Auch bei der regionalen Entwicklung des Standorts packen sie kräftig an. Als ein Zentrum der Expertise in sämtlichen Fragen zum Finanzsektor bieten sie Raum für Innovation und tragen aktiv zu neuen Entwicklungen bei. Die darauf angelegte Infrastruktur ermöglicht eine schnelle Abwicklung etwa grenzüberschreitender Transaktionen.

Dieser konzentrierte „Cluster“-Effekt in Finanzzentren bringt unzählige Schlüsselakteure des Finanzsektors und Start-up-Firmen, technische Dienstleister sowie Investoren zusammen und stellt ihnen die nötigen Werkzeuge zur Verfügung. Genau dies hat es den bereits etablierten Märkten sowie Schwellenmärkten ermöglicht, ihre Position im Finanzsystem der Welt zu verankern. Die profitablen Umstände in Finanzzentren fungieren als eine Art „Pull-Faktor“ für Banken, Unternehmen, ausländische Investoren und vieles mehr.

Istanbuler Finanzzentrum wird Weltwirtschaft ankurbeln

Gleiches gilt für Istanbul: Das neu eröffnete IFM soll die Stadt zu einem noch attraktiveren Knotenpunkt für internationale Finanzorganisationen und Banken machen. Das Zentrum in der türkischen Metropole wird außerdem als ein neues Glied der Kette von Finanzzentren die Entwicklung der globalen Wirtschaft mitankurbeln. Denn Istanbul ist ohnehin schon ein wichtiger Standort. Die Metropole verbindet Asien mit Europa und war schon in der Antike eine zentrale Station wichtiger Handelsrouten. Diese Eigenschaft besitzt sie heute immer noch, etwa mit der „One-Belt One-Road“-Initiative für eine neue Seidenstraße. Dass die Stadt ein wichtiges Handelszentrum ist, hat sie ihrer beispiellosen geographischen Lage zu verdanken.

In einem Umkreis von vier Flugstunden befindet sich eine Bevölkerung von 1,6 Milliarden Menschen und zugleich 30 Trillionen globales Handelsvolumen. Vier Stunden der täglichen Arbeitszeiten decken sich mit denen in asiatischen Ländern, während sich sechs Stunden mit europäischen Ländern überschneiden. Daher kann sich Istanbul als wichtiger Akteur im globalen Finanzmarkt positionieren. Das Finanzzentrum ermöglicht es der Weltwirtschaft, von den einzigartigen Vorteilen Istanbuls effektiver, treffender und zielgerichteter zu profitieren. Dank des Finanzzentrums, das gewissermaßen als Verstärker dieser Gelegenheiten dient und sie mit der richtigen Infrastruktur kombiniert, wird die Stadt ihr maximales Potential innerhalb des globalen Finanzsystems ausschöpfen und einen noch größeren Beitrag leisten können.

Finanzzentrum in Istanbul: Erhebliche Vorteile für Türkiye

Das Ziel des IFM ist es, eines der führenden und wachsenden Finanzzentren der Welt zu werden. Das IFM wird die finanzielle Infrastruktur von Türkiye produktiver gestalten und ein sowohl global als auch regional nachhaltiges Finanzumfeld schaffen. In türkischen Finanzmärkten wird es eine Diversität sowie Tiefe an Produkten schaffen, wobei das Zentrum ferner die Integration in globale Märkte beschleunigen wird. Von der Attraktivität Istanbuls angezogene Finanzorganisationen werden ihre Aktivitäten nach Türkiye verlagern. Experten weisen darauf hin, dass das IFM mit den richtigen Voraussetzungen den Fluss von Kapital insbesondere aus der Golfregion, aber auch aus Europa und weiteren Ländern der Welt nach Türkiye begünstigen wird.

Hinzu kommt, dass sich die türkische Wirtschaft in den letzten Jahren immer stärker auf Produktion konzentriert. Auch hier wird sich der Einsatz des Finanzzentrums in Istanbul als ein kritischer Faktor erweisen. Das Zentrum wird die wachstums- und produktionsorientierte wirtschaftliche Politik von Türkiye stützen. Faktoren wie etwa noch mehr finanzielle Bewegungen und Investitionsoptionen werden das wirtschaftliche Wachstum beschleunigen. Das IFM wird Istanbul zu einem festen Bestandteil des globalen Finanznetzes machen. Somit wird nicht nur die Welt von Istanbul profitieren: Im Umkehrschluss werden der globale Handel und das Wachstum der Weltwirtschaft für die türkische Metropole positive Effekte mit sich ziehen. Für Türkiye als Ganzes sind das erfreuliche Nachrichten: Denn immerhin generiert Istanbul mit 1,155 Trillionen Türkische Lira insgesamt 31,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von Türkiye. Ein Wachstum der Istanbuler Wirtschaft bedeutet somit auch ein erhebliches Wachstum der gesamten türkischen Wirtschaft.

Europa wird vom Finanzzentrum in Istanbul ebenfalls profitieren

Studien zeigen, dass Finanzentwicklungen und Handel keineswegs unabhängig voneinander sind. Vielmehr stehen sie besonders aus einer langfristigen Perspektive direkt im Bezug miteinander. Vor dem Hintergrund dieser Gewissheit werden die positive Entwicklung der türkischen Wirtschaft und der Ausbau des Finanzsektors von Türkiye ohne Zweifel auch die Europäische Union berühren. Denn mit Blick auf Handel ist Türkiye mit Platz 6 einer der wichtigsten Partner der EU. Das Handelsvolumen lag 2022 bei rund 198,1 Milliarden Euro, was 3,6 Prozent des Gesamthandels der EU entspricht.

Insgesamt erfolgten 3,3 Prozent des gesamten Exports und Imports von Waren mit Türkiye. Die Handelsbereiche sind dabei vielfältig: Sie reichen von Textilien und Transportausrüstung über Metalle bis hin zu Maschinen beziehungsweise Anlagen. Dienstleistungen sind ebenfalls Teil des Angebots zwischen Türkiye und der EU. Im Jahr 2021 lag der Wert des Handels mit Dienstleistungen bei 24,2 Milliarden Euro.

Das Istanbuler Finanzzentrum wird dem Finanzsektor von Türkiye eine neue Dynamik verleihen, was sich schließlich auch in jeglichen Handelsbeziehungen widerspiegeln wird. Bürokratische Erleichterungen wie etwa die Befreiung von bestimmten Steuern oder zumindest die Ermäßigung bei bestimmten Steuern wird noch mehr Unternehmern den Weg für den Ausbau ihrer Geschäfte freimachen. Für die EU werden die blühenden Geschäfte wiederum noch mehr Möglichkeiten für den gegenseitigen Handel bedeuten. So wird auch die EU die Früchte des Istanbuler Finanzzentrums miternten.

TRT Deutsch