Die Bundesregierung rechnet für dieses Jahr mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent. Damit korrigiert sie ihre Prognose zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts deutlich nach unten, wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in Berlin sagte. Im Frühjahr war die Bundesregierung noch von einem leichten Plus des Bruttoinlandsprodukts von 0,3 Prozent ausgegangen.
Die Korrektur kommt nicht überraschend, denn zuletzt hatten auch die großen Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Erwartungen nach unten korrigiert. Sie rechnen mit einem Minus von 0,1 Prozent.
Grund ist vor allem Unsicherheit bei Unternehmen und Bürgern. Das nach wie vor hohe Zinsniveau bremst Investitionen, Firmen sind wegen der unbeständigen wirtschafts- und geopolitischen Lage vorsichtig, private Haushalte legen ihr Einkommen vermehrt auf die hohe Kante, statt in Wohneigentum oder Konsum zu investieren.
Habeck: China und USA für Wirtschaftsflaute mitverantwortlich
Für die schwächelnde deutsche Wirtschaft macht der Wirtschaftsminister auch die Lage auf dem Weltmarkt verantwortlich gemacht. Ein Teil der Erklärung seien „nicht nur strukturelle Versäumnisse im eigenen Land, sondern eine völlig veränderte globale Landschaft“, sagte er am Mittwoch bei der Vorstellung der Herbstprognose der Regierung in Berlin.
Er zielte dabei besonders auf protektionistische Maßnahmen in China und den USA ab: „Beide Länder, unsere beiden größten Handelspartner, fragmentieren die offenen Märkte zunehmend aus verschiedenen Gründen.“ Deutschland sei als Exportnation aber auf funktionierende Weltmärkte angewiesen.
Es sei „herausfordernd zu sehen, dass der offene amerikanische Markt sich immer stärker abschließt“, sagte Habeck. Das sei bereits unter der aktuellen Regierung von US-Präsident Joe Biden passiert. „Die Gefahr, dass Donald Trump, wenn er Präsident wird, diesen Konflikt weiter anschärft, ist mit den Händen zu greifen.“ So drohten etwa weitere Zölle auf Autos. „Das muss man schon mit großer Besorgnis sehen.“
„China verfolgt eine aggressive Exportstrategie“, fuhr Habeck fort. Chinesische Unternehmen übernähmen zunehmend große Anteile auf dem Weltmarkt, „teilweise mit Subventionen, teilweise weil sie technisch aufgeholt haben“. Deutschland befinde sich folglich in einer harten Wettbewerbssituation.
Auf den Handelsstreit zwischen China und der EU angesprochen, plädierte Habeck erneut für politische Lösungen, vor allem im Bereich der Automobilindustrie. Dort liege sein „Hauptaugenmerk“. Die EU hatte kürzlich höhere Zölle auf in China produzierte Elektroautos angekündigt - Peking wiederum will künftig Weinbrand aus der EU mit höheren Abgaben belegen. Beide Seiten begründen ihr Vorgehen mit unfairen Wettbewerbsbedingungen.
Erholung 2025 erwartet
Für das kommende Jahr ist die Bundesregierung etwas optimistischer als zuvor: Sie erwartet ein Plus von 1,1 Prozent. Zum einen hofft sie, dass dann der private Konsum wieder anzieht und auch mehr Industrieprodukte im Ausland gekauft werden. Dann könnten sich die deutschen Firmen wieder mehr Investitionen zutrauen.
Zum anderen setzt die Bundesregierung auf ihr Wachstumspaket mit Steuererleichterungen, Arbeitsanreizen und Strompreis-Vergünstigungen. „Wenn sie umgesetzt werden, und zwar vollständig, dann wird die Wirtschaft stärker wachsen, wieder mehr Menschen in Arbeit kommen“, betonte Habeck. „Deshalb müssen die Maßnahmen der Wachstumsinitiative jetzt entschlossen von allen umgesetzt werden.“ Auch die Bundesländer müssten ihren Beitrag leisten. In der Bundesregierung wird befürchtet, dass die Länder eine Reihe Maßnahmen im Bundesrat blockieren, weil sie dadurch weniger Steuern einnehmen würden.
Reicht das Wachstumspaket aus?
Führende Wirtschaftsforschungsinstitute zeigten sich zuletzt skeptisch, ob das Paket überhaupt den nötigen Impuls bringen kann. Viele Maßnahmen sind noch nicht umgesetzt.
Auch Habeck räumt ein, es sei mehr nötig, um Deutschland zurück auf den Wachstumspfad zu bringen. Ähnlich hatte sich zuletzt auch Finanzminister Christian Lindner geäußert. Nun schlägt Habeck zusätzliche Maßnahmen vor: eine deutliche Senkung der Netzentgelte und Bürokratieabbau zum Beispiel beim Datenschutz. „Maßgabe sollte sein: Nur was in der Praxis als Erleichterung ankommt, zählt“, sagte Habeck.
Eine Reform der Schuldenbremse könnte seiner nach Ansicht der deutschen Wirtschaft aus der Krise helfen. Das wirksamste und schnellste Instrument für mehr Wachstum seien Investitionsanreize, sagte der Grünen-Politiker in Berlin. Hier setze die Schuldenbremse in den Landesverfassungen und im Bundeshaushalt jedoch Grenzen. „Wenn es dort mehr Spiel geben würde, würden wir als Volkswirtschaft wirklich einmal aus dem Quark kommen“, sagte Habeck voraus.
Auswirkungen auf die Haushaltsverhandlungen
Die Konjunkturprognose der Bundesregierung ist auch eine Grundlage für die bevorstehende nächste Steuerschätzung. Geringere Steuereinnahmen als bisher vorausgesagt sowie höhere Ausgaben für die Sozialversicherungen könnten die Haushaltsverhandlungen der Ampel-Koalition belasten. Zugleich aber bedeuten geringere Wachstumsaussichten, dass aufgrund des Mechanismus der Schuldenbremse eine höhere Schuldenaufnahme möglich ist.