Felix Neugart: Türkische Startup-Szene ein spannender Zielmarkt für NRW (Archivbild: Düsseldorf) (dpa)
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von Feride Tavus

Nordrhein-Westfalen ist ein Investitionshub für türkische Unternehmen. Dies bestätigen Zahlen zur Standortentwicklung. Die vorteilhaften Bedingungen sind auch ein Magnet für türkische Unternehmen, die sich auf dem europäischen Markt etablieren wollen, betonen Wirtschaftsverbände. NRW habe sich in den vergangenen Jahren sogar zu einem Zentrum türkischen Unternehmertums in Europa entwickelt.

Die Türkei rangiert bei den ausländischen Direktinvestitionen in dem Bundesland bereits auf Platz zwei hinter China. Was für eine Ansiedlung in NRW spricht, erklärt Felix Neugart im Gespräch mit TRT Deutsch. Neugart ist Geschäftsführer der NRW.Global Business GmbH mit Sitz in Düsseldorf.

Die landeseigene Außenwirtschaftsförderungsgesellschaft unterstützt ausländische Unternehmen bei Investitionsprojekten und der Ansiedlung in Nordrhein-Westfalen. Zudem hilft sie bei der Erschließung von Wachstumsmärkten sowie der Vernetzung mit internationalen Geschäftspartnern.

NRW hat sich zu einem Hotspot für türkische Investoren entwickelt. Welchen Standortvorteil bietet speziell dieses Bundesland für Unternehmen aus der Türkei?

Wir sind in der Tat recht erfolgreich, wenn es darum geht, ausländische Investoren für unseren Standort für Nordrhein-Westfalen zu begeistern. 20.000 Unternehmen aus dem Ausland sind hier vor Ort und die schätzen nicht zuletzt die zentrale Lage hier mitten in Europa.

Wir haben sehr große Unternehmen. 19 der 50 größten Unternehmen Deutschlands sind hier aktiv. Wir haben einen sehr erfolgreichen Mittelstand. Und wir haben auch eine sehr dynamisch erfolgreiche Startup-Szene im Digitalbereich. Wir haben das dichteste Forschungs-Netzwerk in Europa mit 68 Universitäten und über 100 Forschungseinrichtungen zu ganz unterschiedlichen Themen.

Nicht zuletzt gibt es hier eine hervorragende Infrastruktur von türkischen Banken, türkischen Geschäften, türkischen Einrichtungen, die sozusagen dafür sorgen, dass sich ein Unternehmen aus der Türkei, das hier in Nordrhein-Westfalen investiert, sehr schnell zu Hause fühlen wird.

Welche Unternehmen sind es vor allem, die in NRW investieren – gibt es da ein eindeutiges Profil, das sich herauskristallisiert?

Türkische Unternehmen sind hier in einer großen Breite und in ganz verschiedenen Branchen aktiv. Sehr stark vertreten sind die Textilindustrie und die Lebensmittelindustrie. Ein traditionelles Beispiel aus der Lebensmittelindustrie ist das Unternehmen TADIM: eine Erfolgsgeschichte. Die hier verarbeiteten Nüsse und Trockenfrüchte haben seit 2014 ihre Europazentrale in Nordrhein-Westfalen und sind seitdem auf Wachstumskurs.

Im Gespräch mit TRT Deutsch: Felix Neugart, Geschäftsführer von NRW. Global Business GmbH (TRT)


Wir haben aber auch sehr innovative Unternehmen aus dem Digitalbereich, beispielsweise den Software-Spezialisten Arvento Mobile aus der Türkei, der sich in Düsseldorf niedergelassen hat und eben auch sozusagen das Umfeld schätzt, das wir auch für innovative Jungunternehmen, für Start-ups haben. Ebenfalls ein sehr junges Unternehmen, ein Start-up aus der Logistikbranche, was auch hier in Nordrhein-Westfalen investieren wird, ist Yolda. Die bieten digitale Lösungen für die Logistik-Branche an und die werden sich auch von hier aus sozusagen auf den deutschen und den europäischen Markt konzentrieren.

Ist Investieren in NRW gleichbedeutend mit investieren in den europäischen Markt?

Unbedingt. Wir sind hier im Herzen Europas, wir sind hier wirklich in der Kernregion Westeuropas. 160 Millionen Konsumenten, und zwar sehr zahlungskräftige Konsumenten, befinden sich in einem Umkreis von 500 Kilometern um unsere Landeshauptstadt Düsseldorf. Das ist ein Drittel aller Konsumenten in der Europäischen Union und insofern eignet sich dieser Standort hier hervorragend, nicht nur um eben den deutschen Markt zu erschließen, sondern von hier aus auch in die europäischen Märkte zu gehen.

Was unterscheidet die türkischen Investoren in NRW von anderen ausländischen Investoren?

Ich glaube, generell ist es schwierig, solche Verallgemeinerungen in Bezug auf Unternehmen vorzunehmen. Wir sehen schon, dass türkische Unternehmen, gerade junge türkische Unternehmen sehr aufgeschlossen sind, Lust auf Neues haben, sehr kommunikativ, sehr netzwerkaffin sind - und sich relativ schnell hier in das vorhandene Ökosystem in Nordrhein-Westfalen einbetten.

Und wir sehen auch, dass es viele Unternehmen gibt, die sozusagen sehr pragmatisch sind, die nach dem Prinzip „learning by doing“ operieren, immer eine Lösung finden und eben auch gerne mit anderen hier vor Ort mit dem Netzwerk zusammenarbeiten, um voranzukommen.

Wo sehen Sie noch Ausbaupotenziale bei der geschäftlichen Zusammenarbeit?

Wir sehen ein großes Potenzial in der Tat im IT-Sektor. Da, so glaube ich, passiert in der Türkei einiges, was wir in Deutschland vielleicht auch gar nicht unbedingt so im Detail wahrnehmen. Das strahlt dann auch in andere Industrien aus. Auch Medizintechnik ist ein Thema. Automotive Togg ist ja sozusagen ein sehr gewichtiges Start-up in der Türkei.

Insofern gibt es da eine ganze Bandbreite von jungen, innovativen Unternehmen, die wir gerne hier für den Standort Nordrhein-Westfalen begeistern wollen. Auch das Thema „Energie“ ist ein ganz wichtiges, wo es sicherlich auch Möglichkeiten der Kooperation mit der Türkei gibt.

Wie viel wurde 2021 von türkischen Unternehmen in NRW investiert?

Wir haben im letzten Jahr 50 Investitions- und Erweiterungsprojekte gehabt. Das ist, wenn man da in Betracht zieht, dass das ja noch ein Corona-Jahr war, glaube ich kein schlechtes Ergebnis. Wenn man sozusagen diese Einzelprojekte zählt, dann ist die Türkei eine der ganz großen Quellen für Ansiedlung in Nordrhein-Westfalen neben China. Diese 50 Neuansiedlungen und Erweiterungen kommen dann zu den 750 türkischen Unternehmen dazu, die bereits heute in Nordrhein-Westfalen im Bestand präsent sind und von hier aus eben ihr Deutschland- oder Europa-Geschäft betreiben.

Diese 750 Unternehmen beschäftigen rund 4100 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, also eine ganz vorzeigbare Zahl.

Die türkische Startup-Szene hat in jüngster Zeit große Erfolge gefeiert, konnte NRW auch davon profitieren?

Die türkische Startup-Szene ist für uns wirklich ein ganz spannender Zielmarkt, die haben auch mittlerweile sehr hohe Summen an Finanzierung und unser Ziel ist es, möglichst viele von diesen Start-ups dafür zu gewinnen, hier von Nordrhein-Westfalen aus ihr Deutschland- und Europa-Geschäft aufzubauen.

Wir haben 700.000 mittelständische Unternehmen allein in Nordrhein-Westfalen, für die gerade die digitale Transformation eine ganz große Aufgabe und oft auch eine ganz große Herausforderung ist. Und da besteht für viele Start-ups eben auch aus der Türkei die Möglichkeit, sich entsprechend Kunden hier zu suchen. Und wir unterstützen das auch nicht nur als NRW.Global Business im Bereich der Ansiedlung, sondern es gibt auch eine ganze Reihe von Förderinstrumenten der Landesregierung, um Start-ups, auch ausländischen Start-ups, hier zu helfen.

Vielen Dank für das Gespräch!

TRT Deutsch