01.07.2020, Berlin: Gerhard Schröder (SPD), ehemaliger Bundeskanzler und jetziger Leiter des Verwaltungsrat Nord Stream 2, wartet auf den Beginn der Anhörung im Wirtschaftsausschuss des Bundestags zum Pipeline-Projekt Nord Stream 2 im Sitzungssaal. (dpa)
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Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny hat Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) die Annahme verdeckter Zahlungen von Russlands Präsident Wladimir Putin vorgeworfen. Schröder wies dies am Mittwoch zurück und teilte mit, dass er gegen die Verbreitung dieser Aussage juristisch vorgehe. Die Führung der SPD-Fraktion warf dem Kreml-Kritiker Ehrabschneidung vor. Aus der Union kam heftige Kritik an Schröder. Nawalny bat die Vereinten Nationen um Mithilfe bei der Untersuchung des Giftanschlags gegen ihn.
Der Oppositionelle schaltete nach einem Bericht des „Spiegel“ über einen Anwalt die UN-Berichterstatterin für außergesetzliche Hinrichtungen oder willkürliche Exekutionen, Agnès Callamard, und jene für Meinungsfreiheit, Irene Khan, ein. Beide UN-Vertreterinnen hätten ihn bereits in Berlin getroffen. Sie werde die Vorwürfe „genauestens prüfen“, sagte Callamard dem „Spiegel“.
In der „Bild“ attackierte Nawalny am Mittwoch Schröder. Auf die Frage, was er dazu sage, dass dieser hinsichtlich seiner Vergiftung bislang alles für Spekulation halte, sagte er: „Es ist erniedrigend für das deutsche Volk. Und insbesondere für das Bundeswehr-Labor. Haben sie etwa das Resultat ihrer Untersuchung gefälscht?“
Nawalny hatte bereits bisher Putin für den Giftanschlag gegen ihn verantwortlich gemacht. Der Kreml hatte dies als beleidigend zurückgewiesen. Von Deutschland fordert die russische Regierung Beweise, dass der Kremlkritiker überhaupt Opfer eines Giftanschlags geworden war.
Das gilt nach Analysen in Laboren der Bundeswehr sowie von Frankreich und Schweden freilich als erwiesen. Am Dienstag hatte auch die Chemiewaffen-Kontrollbehörde OPCW die Vergiftung mit einem Nervengift der Nowitschok-Gruppe bestätigt. Für die Täterschaft gibt es aber bisher keine öffentlich zugänglichen Beweise.
Nawalny sagte weiter: „Gerhard Schröder wird von Putin bezahlt. Wenn er jetzt versuche, den Giftanschlag zu leugnen, sei das wirklich sehr enttäuschend.“ Der Kremlkritiker behauptete: „Jetzt ist Schröder ein Laufbursche Putins, der Mörder beschützt.“ Es gebe eine offizielle Bezahlung und er habe keine Zweifel, „dass es auch verdeckte Zahlungen gibt“. Ein Dokument, auf dem dies stehe, habe er allerdings nicht.
Schröder äußerte als Reaktion „Verständnis“ für die schwierige persönliche Situation Nawalnys. Seine Interview-Aussagen über angebliche „verdeckte Zahlungen“ seien jedoch falsch, sagte er laut einer Mitteilung. Er sehe sich deshalb gezwungen, gegen den Verlag juristisch vorzugehen.
Schröder kündigte juristische Schritte an, die sich auch gegen Medien richten könnten: „Daher sehe ich mich gezwungen, gegen den Verlag, der meine Persönlichkeitsrechte auf das Schwerste verletzt hat, juristisch vorzugehen. Entsprechendes wird geschehen gegenüber anderen Medien, falls diese die falschen Behauptungen, die BILD-Zeitung und bild.de verbreitet haben, übernehmen und weiter verbreiten.“
Bezogen hatte sich Nawalny auf Äußerungen Schröders in einem am 30. September veröffentlichten Podcast. „Natürlich berührt auch mich ein Anschlag (...) mit Gift“, sagte Schröder da. Von Spekulationen halte er nichts. Die russischen Behörden müssten aufklären. „Was gegenwärtig gemacht wird, sind ja wesentlich Spekulationen, weil gesicherte Fakten gibt es ja nicht, jedenfalls nicht über die Tatsache, wer verantwortlich ist für diesen Anschlag auf Herrn Nawalny.“
CDU und Grüne wollen Schröder-Rücktritt
Als Konsequenz aus der Vergiftung Nawalny hatten etwa Politiker von CDU und Grünen Schröder aufgefordert, seinen Posten beim Pipeline-Unternehmen Nord Stream 2 zu räumen. Als Aufsichtsratschef des staatlichen russischen Energiekonzerns Rosneft war Schröder erst im Juni 2020 bestätigt worden. Zudem ist er Aufsichtsratschef der bestehenden Pipeline Nord Stream.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, wies darauf hin, dass Nawalny seine Vorwürfe nicht belegen könne. „Dann soll man schweigen.“ Schneider: „Ich finde das ehrabschneidend, was Herr Nawalny da gesagt hat.“
AfD-Fraktionschef Alexander Gauland sagte, Nawalny sei in Deutschland gut behandelt worden. „Selbstgerecht Zensuren an einen ehemaligen Regierungschef und weitere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu verteilen, zeugt von keiner guten Erziehung.“
Aber auch die Kritik an Schröder ging weiter. CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen warf Schröder vor, sich an Vertuschungsversuchen des russischen Sicherheitsapparats zu beteiligen. „Dieses Verhalten von Herrn Schröder erfüllt viele in Deutschland mit Scham.“ Der Unions-Außenexperte Jürgen Hardt (CDU) forderte Schröder im Namen seiner Fraktion auf, sich mit dem Vorwurf einseitiger Parteinahme auseinanderzusetzen. Ex-Kanzler dürften dem Ansehen Deutschlands nicht schaden.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: „Ich habe hier, wie bei anderen Malen auch schon, zur beruflichen Tätigkeit des Altbundeskanzlers Schröder keinen Kommentar zu geben.“
Weiter ging die Debatte um den Umgang mit Russland. Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte im Bundestag, trage Moskau nicht zur Aufklärung der Vergiftung Nawalnys bei, seien „zielgerichtete und verhältnismäßige Sanktionen“ gegen Verantwortliche auf russischer Seite unvermeidlich.
Russland wiederum zeigte sich überzeugt, dass die Nawalny-Affäre die Fertigstellung von Nord Stream 2 nicht gefährde, wie der russische Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) deutlich machte.


dpa