Die 20-jährige Irem Öztekin aus Izmir ist ein herausragendes Vorbild für alle Menschen mit Down-Syndrom: Die junge Frau hat nicht zugelassen, dass diese Beeinträchtigung ihren Chancen im Weg steht. Mittlerweile ist sie nicht nur Spitzenschwimmerin und Universitätsstudentin, sondern seit Kurzem auch geprüfte Rettungsschwimmerin.
Wie ihr Vater Necdet mitteilt, hat Irem im Alter von acht Jahren mit dem Schwimmen angefangen. „Irem hat bereits rund 100 Medaillen bei Schwimmwettbewerben in der Türkei gewonnen, die meisten für erste Plätze“, berichtet er stolz. „Sie hat auch schon drei Mal die Türkei im Ausland vertreten.“
Die junge Frau hat die Türkei 2017 in Frankreich, 2018 im Kosovo und 2019 in Italien vertreten. „Sie hat in Frankreich die Schwimmweltrekorde in der 50-Meter-Disziplin und über 100 Meter Schmetterling in ihrer Altersgruppe gebrochen“, ergänzt ihr Vater.
Besser als die Konkurrenz bei der Aufnahmeprüfung
Im Jahr 2020 bekam Irem Öztekin keine Gelegenheit, im eigenen Land bei den DSISO-Meisterschaften ihren Titel zu verteidigen. Grund dafür war die Corona-Pandemie. Diese lässt auch die Frage offen, ob es in diesem Jahr wieder einen internationalen Wettbewerb des Verbandes der Schwimmerinnen und Schwimmer mit Down-Syndrom geben wird.
Neben ihren Eltern haben sich vor allem ihre Trainer Mert Onaran und Efe Karaca der jungen Athletin angenommen. Ihre Mutter Melek Öztekin schildert, dass Irem „auf eine der besten Schulen in Izmir gegangen ist, nämlich das Staatliche Berufliche und Technische Anatolische Gymnasium Nevvar Salih İşgören.“
Ihre ältere Schwester, die in diesem Jahr die medizinische Hochschule abschließt, sei Irem stets ein gutes Vorbild gewesen, betont Melek Öztekin weiter. „Und jetzt ist auch Irem selbst Universitätsstudentin. Sie hat wie jeder andere Student auch ohne Einschränkungen im Vorjahr die Aufnahmeprüfung absolviert und musste den Schwimmtest bestehen, um sich an der Sportwissenschaftlichen Fakultät der Ägäis-Universität einschreiben zu können.“
Um die Aufnahme zu schaffen, habe Irem dieselben Vorgaben im 100-Meter-Freistil-Wettbewerb erfüllen müssen wie ihre Mitbewerberinnen ohne Down-Syndrom. Am Ende fiel ihr Ergebnis mit 1:43 Minuten sogar noch besser aus als das der anderen.
Trainer und Eltern arbeiten Hand in Hand
Irems Trainer Efe Karaca hatte seinen späteren Schützling vor sechs Jahren bei Trainingseinheiten des türkischen Jugend- und Sportministeriums kennengelernt. Sein Fazit: „Wir haben eine schöne Harmonie mit anderen Down-Syndrom-Kindern bemerkt. Wir wollen [mit Irem] internationale Wettbewerbe bestreiten. Unsere besten Wettbewerbsergebnisse waren bislang die beiden Jugendweltrekorde sowohl über 50 als auch über 100 Meter im Jahr 2017 in Frankreich.“
Karaca war persönlich anwesend, als Irem ihre Aufnahmeprüfung an der Universität ablegte und sich für ein Studium an der Sport-Fakultät der Ägäis-Universität einschrieb, das er selbst auch absolviert hat. Irems Studium werde, so Karaca, eine „unglaubliche Erfahrung sowohl für sie selbst als auch für das Lehrpersonal an der Einrichtung sein. Ich bin schon aufgeregt, sie künftig als meine Kollegin begrüßen zu dürfen.“
Irems Mutter Melek betont, sie habe ihre Tochter ihr ganzes Leben lang unterstützt: „Wir haben sie zum Schwimmen geschickt, weil wir dachten, dass das gut für sie wäre, um zu üben.“ Der Vater sei selbst Physiotherapeut und habe mit ihr in diesem Bereich gearbeitet. Als Mutter habe sie sich um die Logistik gekümmert und „sichergestellt, dass sie dorthin kommt, wo sie hingehört.“
Schwierige Suche nach Sponsoren
Während die Eltern Melek und Necdet stolz auf die Errungenschaften ihrer Tochter sind, äußert die Mutter jedoch auch Unzufriedenheit über die Zurückhaltung aufseiten der Sponsoren. „Irem hat einen hohen Verschleiß an Trainings-Schwimmanzügen, von jenen für die Wettkämpfe ganz zu schweigen. Bis heute haben wir aber keinen Sponsor, der unsere Tochter an die Hand nehmen und Teil ihres Erfolges sein möchte.“
Irems Trainer Efe Karaca würdigt die Leistungen seiner Nachwuchshoffnung: „Wie jeder mir bestätigen wird, hat Irem viele anspruchsvolle Herausforderungen in unserer Gesellschaft angenommen und erfolgreich gemeistert. Rettungsschwimmerin zu werden, war eine davon.“
Mutter Melek dankt auch ihrer gesamten Familie dafür, dass sie Irem stets dazu aufgefordert hat, einem Sport nachzugehen, statt sie zu Hause vor dem Fernseher sitzen zu lassen. So sollten es auch andere Familien handhaben, fügt sie hinzu:
„Wir glauben an sie und sind froh, dass sie dem Sport einen Platz in ihrem Leben eingeräumt hat. Können Sie sich vorstellen, was gewesen wäre, wäre sie den ganzen Tag zu Hause gewesen und vor dem Fernseher oder Computer versauert? Kinder sollten zum Sport ermuntert werden.“
Trainer Karaca freut sich, dass Irem jetzt eine professionelle Athletin ist, „die weiß, dass alles, was wir tun, zu ihrem Besten ist, und die jedes Mal mit einem freundlichen Gesicht zum Training kommt.“ Er sieht noch weitere große Erfolge auf sie zukommen:
„Solange sie ihren Kampfgeist nicht verliert, wird Irem immer eine Gewinnerin sein.“