Nach Auffassung von Rechtsexperten ist das „Recht auf Selbstverteidigung“ nicht für den israelischen Krieg gegen den Gazastreifen anwendbar. Sie widersprechen der Unterstützung dieser Position durch die USA und die EU und bezeichnen die Angriffe Israels als „Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord“.
Der Direktor der Menschenrechtsorganisation Al Haq Foundation, Shawan Jabareen, erklärt, dass „die israelischen Militäroperationen im Gazastreifen„ gegen „das Völkerrecht und die UN-Charta zur Selbstverteidigung„ verstoßen.
„Das Recht auf Selbstverteidigung gilt für einen Staat, wenn er von einem anderen angegriffen wird und seine nationale Sicherheit und Existenz gefährdet sind“, erklärte Jabareen. Dies treffe jedoch nicht auf die aktuelle Situation in Gaza zu, so Jabareen.
Zudem betonte er, dass Palästina und die Hamas kein eigener Staat seien. Es handele sich um besetztes Gebiet, wobei Israel die Kontrolle über den Gazastreifen und das Westjordanland ausübe, so Jabareen.
Im Jahr 2004 wurde in Tel Aviv ein Gutachten zum Bau der Trennmauer durch Israel im Westjordanland unter dem Vorwand der Selbstverteidigung diskutiert. Der Internationale Gerichtshof kam dabei zu dem Schluss, dass „Israel nicht berechtigt ist, sich auf das Recht zur legitimen Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen zu berufen“.
Der US-Außenminister Antony Blinken bekräftigte während seines Besuchs in Israel im November die Unterstützung für „Israels Recht zur Selbstverteidigung“. Er betonte auch, dass Israel dazu verpflichtet sei, dieses Recht auszuüben, und dass die USA dies nachdrücklich befürworten.
Die Staats- und Regierungschefs der EU erklärten ebenfalls am 15. Oktober ihre Unterstützung für „Israels Recht zur Selbstverteidigung im Rahmen von humanitärem und internationalem Recht“.
Jabareen kritisierte die Aussagen von Tel Aviv, Washington und der Europäischen Union. Sie stünden „im Widerspruch zum internationalen Recht“. Die Aussagen seien keine juristischen, sondern politische Stellungnahmen, die zugunsten Israels parteiisch seien.
Jabareen warnte vor einem Völkermord und wies darauf hin, dass Israels „Operationen alle Elemente eines Völkermordes beinhalten“. Die Erklärungen von israelischen Politikern und Militärangehörigen deute darauf hin. „Sie bestätigen ihre Absicht, einen Teil oder die gesamte palästinensische Bevölkerung in Gaza zu töten“, sagte er. Zivilisten würden ohne militärische Notwendigkeit getötet und zerstört, erklärte Jabareen.
Auch Raed Abu Badawiya, Professor für Recht und internationale Beziehungen an der Arab American University in Jenin im Westjordanland,äußerte sich dazu. Er betonte, dass „selbst wenn wir hypothetisch annehmen, dass Israel dieses Recht besitzt, rechtfertigt es nicht die Begehung von Verbrechen.“
Abu Badawiya verwies auf das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, das diese Handlungen als „Kriegsverbrechen“ definiert.