Zum Auftakt der Anhörung zur Rechtmäßigkeit von fast 60 Jahren israelischer Besatzung der palästinensischen Gebiete beim Internationalen Gerichtshof hat der Außenminister der Autonomiebehörde Gerechtigkeit für sein Volk gefordert. Seit Jahrzehnten verstoße Israel bewusst gegen internationales Recht, sagte Riad al-Maliki am Montag vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen in Den Haag. „Die Kraft des Rechts muss siegen.“
Die UN-Generalversammlung hatte 2022 ein Rechtsgutachten des Gerichtshofes beantragt. Es soll prüfen, inwieweit die 57 Jahre dauernde Besatzung legal ist und welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben. Das Gutachten ist zwar nicht bindend, kann aber den internationalen Druck auf Israel im aktuellen Gaza-Krieg weiter erhöhen.
Nach Auffassung der Rechtsvertreter Palästinas verstößt Israel seit 1967 gegen internationales Recht, indem es breite Streifen Land besetzt habe und den Palästinensern das Selbstbestimmungsrecht nicht zugestehe.
Insgesamt beteiligen sich 52 Staaten und drei internationale Organisationen an der auf sechs Tage angesetzten Anhörung - eine Rekordzahl in der Geschichte des Gerichts. Türkiye wird voraussichtlich am 26. Februar seine Erklärung vortragen. Israel selbst will nicht das Wort ergreifen, aber schriftlich Stellung nehmen. Bis das Gutachten vorgelegt wird, kann es Monate dauern.
Bei dieser Anhörung geht es nicht um den aktuellen Krieg im Gazastreifen, sondern die Besatzung beziehungsweise Kontrolle Israels über das Westjordanland, den Gazastreifen und Ost-Jerusalem.
Israel besetzt seit 1967 das Westjordanland und Ost-Jerusalem. Dort leben heute inmitten von drei Millionen Palästinensern rund 700.000 illegale Siedler aus Israel. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen unabhängigen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt.
Die Vereinten Nationen hatten Palästina 2012 den Status als Beobachterstaat eingeräumt. Von 193 UN-Mitgliedsstaaten haben bisher 139 Palästina als unabhängigen Staat anerkannt.
Die Anhörung ist auch losgelöst vom Völkermord-Verfahren, das Südafrika gegen Israel wegen des Gaza-Krieges angestrengt hatte. In diesem Verfahren hatten die höchsten Richter Ende Januar in einem Zwischenentscheid Israel aufgetragen, alles zu tun, um Tod, Zerstörung und Völkermord im Gazastreifen zu verhindern. Israel wies die Vorhaltungen Südafrikas zurück.
Israels Vernichtungskrieg in Gaza
Israel hatte nach dem 7. Oktober die Versorgung des Gazastreifens mit Wasser, Lebensmitteln, Treibstoff und Strom gestoppt und zugleich massive Luftangriffe gestartet. Anschließend drangen Bodentruppen in den dicht besiedelten Küstenstreifen ein. Humanitäre Hilfslieferungen werden von Israel behindert. Fast zwei Millionen Menschen wurden gezwungen, in den Süden zu flüchten. Nun droht aber auch dort an der Grenze zu Ägypten ein Großangriff Israels.
Nach palästinensischen Angaben wurden in Gaza seit dem 7. Oktober mehr als 29.000 Menschen getötet und Zehntausende verletzt. Die Zahl könnte weit höher sein, da noch viele Tote unter den Trümmern liegen und nicht geborgen werden können. Beim Großteil der Getöteten handelt es sich laut örtlichen Berichten um Frauen und Kinder.