Nach der Entmachtung der Regierung in Tunesien durch Präsident Kais Saied hat sich die größte abgesetzte Regierungsfraktion zu vorgezogenen Neuwahlen bereiterklärt. „Um des demokratischen Weges willen“ sei sie zu vorgezogenen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen bereit, teilte die Regierungspartei Ennahdha mit. Sie warnte davor, eine Verzögerung als „Vorwand für die Aufrechterhaltung eines autokratischen Regimes“ zu nutzen.
Vor den Wahlen müsse jedoch „das Parlament seine Arbeit wieder aufnehmen und das Militär seine Kontrolle beenden“, sagte der ranghohe Parteifunktionär Noureddine B'Hiri der Nachrichtenagentur AFP.
Präsident Saïed hatte am Sonntagabend überraschend die Entlassung von Regierungschef Hichem Mechichi sowie die vorläufige Aussetzung der Arbeit des Parlaments verkündet und erklärt, er werde die Regierungsgeschäfte gemeinsam mit einem neuen Regierungschef übernehmen.
Vorausgegangen waren Proteste gegen das Corona-Krisenmanagement in mehreren tunesischen Städten. Während Saïed betonte, sein Handeln stehe im Einklang mit der Verfassung, warf ihm Ennahdha einen „Putsch“ vor.
International löste die politische Krise in Tunesien Besorgnis aus. Die Europäische Union rief zur Wahrung der Demokratie auf. Auch die US-Regierung forderte Saïed auf, die „Prinzipien der Demokratie und der Menschenrechte“ zu achten.
Tunesien galt lange als Musterland des Arabischen Frühlings, der 2011 die Herrschaft von Langzeitmachthaber Zine El Abidine Ben Ali beendet hatte. Allerdings hat es seither in zehn Jahren neun verschiedene Regierungen gegeben. Manche hielten nur wenige Monate, was die dringend nötigen Reformen in Wirtschaft und Verwaltung de facto unmöglich machte.
28 Juli 2021
dpa
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