Bei den massiven Protesten in Kasachstan sind nach Regierungsangaben dutzende Demonstranten getötet und mehr als 1000 Menschen verletzt worden. Fast 400 Verletzte würden in verschiedenen Regionen des Landes im Krankenhaus versorgt, 62 Menschen befänden sich auf der Intensivstation, sagte der stellvertretende Gesundheitsminister Aschar Guinijat am Donnerstag dem TV-Sender Chabar-24. Ein von Russland geführtes Militärbündnis entsandte auf Bitten des kasachischen Präsidenten die ersten „Friedenstruppen“ in das Land.
Kasachstan wird derzeit von beispiellosen Unruhen erschüttert. Proteste, die sich zunächst gegen steigende Gaspreise gerichtet hatten, weiteten sich binnen weniger Tage zu regierungskritischen Massenprotesten in der gesamten Turkrepublik aus. Um die Lage zu beruhigen, kündigte die kasachischen Behörden eine regionale Senkung der Energiepreise an. Staatschef Kassym-Schomart Tokajew entließ am Mittwoch zudem die Regierung, die Proteste rissen jedoch nicht ab.
„Dutzende“ Demonstranten getötet
In der Nacht zu Donnerstag wurden nach Polizeiangaben „dutzende“ Demonstranten getötet. „Extremistische Kräfte“ hätten versucht, Verwaltungsgebäude sowie die Zentrale und mehrere Dienststellen der Polizei in Almaty zu stürmen, sagte ein Polizeisprecher den Nachrichtenagenturen Interfax-Kasachstan, Tass und Ria Nowosti.
Tokajew verhängte wegen der Massenproteste den landesweiten Ausnahmezustand. Im ganzen Land gelten damit nächtliche Ausgangssperren, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sowie ein Versammlungsverbot. Der Staatschef bat zudem um Unterstützung durch die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS), der Russland, Kasachstan und vier weitere ehemalige Sowjetrepubliken angehören.
Die OVKS hat inzwischen die ersten „Friedenstruppen“ nach Kasachstan entsandt. Die Soldaten würden auf begrenzte Zeit nach Kasachstan geschickt, um „die Lage zu stabilisieren und zu normalisieren“, hieß es in einer OVKS-Mitteilung, die am Donnerstag vom russischen Außenministerium auf Telegram veröffentlicht wurde.
Russische, belarussische, armenische und tadschikische „Friedenstruppen“
Wie viele Soldaten nach Kasachstan geschickt wurden, war unklar. Unter ihnen waren demnach auch Mitglieder der russischen Luftlandetruppen. Laut diversen Medienberichten besteht die „Friedenstruppe“ hauptsächlich aus den russischen Truppen sowie Soldaten aus Belarus, Armenien und Tadschikistan. Das Nachbarland Kirgistan hat bisher keine Soldaten entsandt. Hauptaufgaben der Truppen werden „der Schutz wichtiger staatlicher und militärischer Einrichtungen und die Unterstützung der Ordnungskräfte bei der Stabilisierung der Lage“ sein.
Am Mittwoch hatten tausende Menschen in der Wirtschaftsmetropole Almaty den Sitz der Stadtverwaltung und andere Regierungsgebäude gestürmt. Mehrere Verwaltungsgebäude standen Berichten zufolge in Flammen. Demnach übernahmen Demonstranten auch die Kontrolle über den Flughafen in der Metropole.
Nach Angaben Tokajews befand sich die kasachische Luftwaffe am Donnerstag in einem „hartnäckigen Kampf“ mit „Terroristen“, die zudem fünf Flugzeuge gekapert hätten. Medienberichten zufolge wurden im Zuge der Unruhen zwölf Mitglieder der Sicherheitskräfte getötet. Mehr als 350 weitere Einsatzkräfte wurden demnach verletzt. Eine der Leichen sei mit abgetrenntem Kopf aufgefunden worden, berichtete der Sender Chabar-24 nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen.
Mehr als 200 Festnahmen in einer Nacht
Allein in der Nacht zum Mittwoch wurden nach Behördenangaben mehr als 200 Menschen im Zusammenhang mit den Protesten festgenommen. Auf im Internet veröffentlichten Videos waren geplünderte Geschäfte und niedergebrannte Gebäude zu sehen sowie Maschinengewehrschüsse zu hören.
Tokajew warf „Terrorgruppen“ vor, hinter den Protesten zu stecken. Ausgebildet würden die Gruppen „im Ausland“, sagte er im Staatsfernsehen. Auch der derzeitige Vorsitzende der OVKS, Armeniens Ministerpräsident Nikol Paschinjan, erklärte, die Unruhen in Kasachstan seien durch „äußere Einmischung“ ausgelöst worden. Die USA, die EU und die Bundesregierung riefen alle Parteien zur „Zurückhaltung“ auf.
Größere Proteste im autoritär regierten Kasachstan sind selten. Die jetzigen Geschehnisse sind die bislang größte Krise in der Amtszeit Tokajews, der 2019 den langjährigen Staatschef Nursultan Nasarbajew beerbt hatte. Der inzwischen 81-jährige Nasarbajew stand von 1989 bis 2019 an der Spitze Kasachstans und kontrolliert die Politik des zentralasiatischen Landes als „Führer der Nation“ nach wie vor. Nasarbajew ist ein enger Verbündeter von Russlands Präsident Wladimir Putin.
6 Jan. 2022
Proteste in Kasachstan: Dutzende Tote - Russische Allianz schickt Soldaten
Die Proteste in Kasachstan sind weiter eskaliert. Bei den massiven Demonstrationen gab es dutzende Tote und mehr als tausend Verletzte. Indes hat die von Russland geführte Allianz OVKS damit begonnen, Soldaten in die Turkrepublik zu schicken.
TRT Deutsch
Ähnliche Nachrichten
Getreideabkommen: Ukrainischer Minister Kubrakov dankt Türkiye
Ukraines Infrastrukturminister Kubrakov hat sich für die türkische Unterstützung bei der Verlängerung des Getreideabkommens bedankt. Türkiye habe mit einem „unerschütterlichen Engagement“ zur Verlängerung des Abkommens um 120 Tage beigetragen.
Selbe Kategorie
Weltstrafgericht erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Gallant
Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat Haftbefehle gegen Israels Premierminister Netanjahu und Ex-Verteidigungsminister Gallant ausgestellt. Ihnen werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zur Last gelegt.
Nach Trump-Wahl: Israels Finanzminister will Annexion im Westjordanland
Die Wiederwahl Trumps wurde vielerorts mit Sorge betrachtet. Doch einer scheint es sehr zu begrüßen: Der ultra-rechte israelische Politiker Smotrich. Er erhofft sich einen Freifahrtschein, um noch mehr palästinensisches Land zu stehlen.
Worüber möchten Sie mehr erfahren?
Beliebt
Iran: Rätselhafte Vergiftungswelle beunruhigt die Bevölkerung
Bei einer landesweiten Anschlagswelle im Iran wurden Hunderte Schulmädchen vergiftet. In Regierungskreisen werden Extremisten dahinter vermutet. Eine offizielle Stellungnahme aus Teheran steht aber noch aus. Die Wut und Sorge der Eltern wächst.