Gegner des langjährigen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Israel wollen eine rasche Vereidigung ihrer geplanten Regierung forcieren. Hintergrund sind nach Medienberichten vom Donnerstag Versuche des Netanjahu-Lagers, das Bündnis aus acht Parteien und damit einen Machtwechsel noch zu verhindern. Angestrebt sind eine Abstimmung über die Regierung und deren Vereidigung bereits am kommenden Montag. Zunächst galt der 14. Juni als wahrscheinlicher Termin.
Die vom bisherigen Oppositionsführer Jair Lapid am Mittwochabend auf den Weg gebrachte Koalition besteht aus sehr unterschiedlichen Parteien, die das gesamte politische Spektrum des Landes abbilden. Im Kabinett sollen etwa sowohl eine ultrarechte als auch eine linksradikale sowie eine arabische Partei sitzen. Netanjahu rief unterdessen Knessetabgeordnete dazu auf, dem Bündnis die Zustimmung zu verweigern. Bei Twitter schrieb er: „Jeder Knesset-Abgeordnete, der mit rechten Stimmen gewählt wurde, muss sich der gefährlichen linken Regierung widersetzen“. Die geplante Koalition hat nur eine Mehrheit von 61 der 120 Parlamentarier. Es gab zuletzt Berichte über mindestens einen möglichen Abtrünnigen. Ein solcher würde ausreichen, um das Projekt zum Scheitern zu bringen.
Netanjahu hatte Israel insgesamt 15 Jahre lang regiert
Israel steckt in einer politischen Dauerkrise, die Gesellschaft ist tief gespalten. Auch die vierte Parlamentswahl seit 2019 hatte Ende März keine klaren Mehrheitsverhältnisse ergeben. Der scheidende Staatspräsident Reuven Rivlin beauftragte am 5. Mai Lapid mit der Regierungsbildung, Netanjahu war zuvor daran gescheitert. Eine weitere Neuwahl wollen viele Parteispitzen in Israel unbedingt verhindern.
Mit Vereidigung der neuen Regierung wäre die Ära Netanjahu vorerst beendet. Dieser war von 1996 bis 1999 Ministerpräsident, seit 2009 ist er durchgängig Regierungschef. Länger als Netanjahu hat niemand seit Israels Staatsgründung 1948 regiert. Im Laufe seiner Amtszeit hat er sich jedoch mit vielen Politikern tief zerstritten und deren Vertrauen verloren. Viele Spitzenpolitiker auch aus Netanjahus rechtem Lager versagen ihm daher die Unterstützung. In der Kritik steht Netanjahu aber auch, weil ein Korruptionsprozess gegen ihn läuft.
Erstmals eine arabische Partei Teil der israelischen Regierung
Lapids Zukunftspartei war bei der Wahl im März zweitstärkste Kraft hinter dem rechtskonservativen Likud von Netanjahu geworden. Der frühere TV-Moderator und Finanzminister informierte Präsident Rivlin am Mittwochabend kurz vor Ablauf einer Frist offiziell darüber, ein Regierungsbündnis gebildet zu haben. Zu diesen gehört auch die weit rechte Jamina-Partei des Ex-Verteidigungsministers Naftali Bennett. Nach einer Rotationsvereinbarung soll dieser zunächst Regierungschef und zwei Jahre später von Lapid abgelöst werden.
Erstmals soll mit der konservativ-islamischen Ra'am-Partei auch eine arabische Partei Teil einer israelischen Regierung werden. Bennetts Partei gilt als siedlerfreundlich, dies könnte die Zusammenarbeit mit Ra'am erschweren. Bis zur letzten Minute hatte es heftige Meinungsverschiedenheiten zwischen den potenziellen Koalitionspartnern gegeben.
Lapid schrieb am Mittwochabend bei Twitter, die neue Regierung werde „ihre Gegner respektieren und alles dafür tun, alle Teile der israelischen Gesellschaft zu einen und zu verbinden“. Im Zuge des Konflikts Israels mit der im Gazastreifen herrschenden Hamas war es in dem Land zuletzt zu heftigen Zusammenstößen zwischen Juden und Arabern gekommen. Berichten zufolge sieht die Koalitionsvereinbarung unter anderem hohe Fördermittel für die arabische Gemeinschaft in Israel vor. Auch die Bekämpfung der Kriminalität in diesem Sektor soll demnach forciert werden.