Nach neuen Berichten über die brutale Unterdrückung der muslimischen Minderheit der Uiguren in China geht die Bundesregierung weiter auf Distanz zur kommunistischen Regierung in Peking. Die Volksrepublik sei zwar ein großer Handelspartner, es gebe aber „sehr relevante Probleme“, auch bei der Einhaltung von Menschenrechten, erklärte Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Deutschland werde seine Abhängigkeiten verringern. „Die Wahrung der Menschenrechte hat ein höheres Gewicht.“
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) rief die internationale Gemeinschaft auf, die Verletzung von Menschenrechten in China nicht einfach hinzunehmen. Die Volksrepublik sei wieder ein globaler Akteur, sagte er am Donnerstag beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Daraus lasse sich aber kein Anspruch auf Hegemonie in Asien und darüber hinaus ableiten. „Genauso wenig können wir wegsehen, wenn Menschenrechte verletzt werden, wie wir das gerade in Xinjiang sehen.“
Hintergrund sind Medienberichte, die unter Berufung auf ein Datenleck das Ausmaß der Verfolgung und Masseninternierung von Uiguren veranschaulichen. In der Provinz Xinjiang sind nach Angaben von Menschenrechtlern Hunderttausende in Umerziehungslager gesteckt worden.
Uigurischer Weltkongress spricht von „Völkermord“
Die Exil-Organisation der Uiguren forderte Sanktionen gegen China. „In den vergangenen fünf, sechs Jahren hat die chinesische Regierung ihren Kurs geändert - von erzwungener Assimilierung und Diskriminierung zum Völkermord“, sagte der Präsident des Uigurischen Weltkongresses (UWC), Dolkun Isa, in München, wo sich bis zum Samstag etwa 200 Vertreter des UWC und politische Unterstützer zu einer Tagung treffen. „Verurteilung und leere Statements können Genozid nicht stoppen.“
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge pochte auf Konsequenzen für die europäische Handelspolitik. „Menschenrechte dürfen in Handelsbeziehungen nicht an zweiter Stelle stehen.“ Es brauche jetzt ein Importverbot für Produkte, die aus Zwangsarbeit entstanden seien und ein starkes europäisches Lieferkettengesetz.
Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg (Grüne), sagte zur deutschen China-Politik, ein Weiter-so dürfe es nicht geben. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte sie: „Wir brauchen eine offene Debatte über unsere wirtschaftlichen Abhängigkeiten von Staaten, die eine solch erschreckende Menschenrechtsbilanz aufweisen.“
Amtsberg für Aufklärung der Vorwürfe
Amtsberg forderte die UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet auf, ihren Bericht über Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang schnell zu veröffentlichen. Die aktuelle Reise Bachelets nach China sei richtig. „Sie muss aber den Beginn einer Aufklärung der Vorwürfe markieren, gerade weil wir davon ausgehen müssen, dass Bachelet nicht ungehinderten Zugang bekommen wird.“
Über die „Xinjiang Police Files“ berichtete ein Medienverbund, an dem unter anderen das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, der Bayerische Rundfunk, die britische BBC, „USA Today“ und die Zeitung „Le Monde“ beteiligt sind. Chinas Führung wies die Berichte als „verleumderisch“ zurück. Sie wirft Uiguren in der Region Separatismus, Extremismus und Terrorismus vor, während sich die muslimische Minderheit politisch, religiös und kulturell unterdrückt fühlt. Nach ihrer Machtübernahme 1949 hatten die Kommunisten das ehemalige Ostturkestan der Volksrepublik einverleibt.
Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping wandte sich in einem Videogespräch mit Bachelet bei deren China-Besuch gegen eine „Politisierung“ der Menschenrechte oder „zweierlei Maß“ bei deren Betrachtung. „Länder brauchen keine gängelnden Lektoren“, sagte er. Unterschiedliche Wege einzelner Länder müssten respektiert werden. „Menschenrechte haben einen historischen, spezifischen und praktischen Kontext.“
27 Mai 2022
Nach Xinjiang-Berichten: Bundesregierung sucht Distanz zu China
Hunderttausende Uiguren wurden nach Recherchen von Menschenrechtlern in Chinas Nordwesten in Umerziehungslager gesteckt. Ein Datenleck legt laut Medienberichten erschütternde Details offen. Die Bundesregierung schwenkt in ihrem China-Kurs um.
dpa
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