Das iranische Außenministerium hat am Sonntag den deutschen Botschafter Hans-Udo Muzel einbestellt. Zur Begründung wurde eine „inakzeptable Einmischung“ in Irans „innere Angelegenheiten“ angeführt, wie die staatliche Nachrichtenagentur Irna berichtete. Die Europäische Union und die Bundesregierung hatten am Samstag die Exekution des iranischen Oppositionellen Ruhollah Sam verurteilt. Deutschland hat derzeit die rotierende EU-Ratspräsidentschaft inne. Auch der Leiter der französischen Botschaft in Teheran solle einbestellt werden, berichtete Irna. Die iranischen Revolutionsgarden hatten im Oktober 2019 die Festnahme Sams gemeldet, der in Frankreich als Flüchtling anerkannt war. Angaben zum Ort oder dem Zeitpunkt der Festnahme machten die Revolutionsgarden damals nicht. Sam sei „vom französischen Geheimdienst gesteuert“ gewesen und von den USA und Israel unterstützt worden, hieß es von iranischer Seite. Sam sei wegen seiner führenden Rolle bei Protesten gegen die Regierung in Teheran im Winter 2017/18 am Samstagmorgen gehängt worden, berichtete das iranische Staatsfernsehen. Von der iranischen Führung waren die Proteste als „Aufruhr“ eingestuft worden.
„Hinrichtung ist schwerer Angriff auf Meinungsfreiheit“
Die Europäische Union verurteilte den Vollzug der Todesstrafe „auf das Schärfste“, wie eine Sprecherin des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Samstag mitteilte. Die Todesstrafe sei unter allen Umständen abzulehnen. Das französische Außenministerium sprach von einem „schweren Angriff auf die Meinungsfreiheit“ und einem „barbarischen Akt“. Auch die Bundesregierung hatte die Hinrichung Sams scharf kritisiert: Berlin sei „entsetzt über die Hinrichtung“, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amts. Die Todesstrafe sei „eine grausame und unmenschliche Form der Bestrafung, die wir unter allen Umständen ablehnen“. Die Bundesregierung sei auch „schockiert über die Umstände unter denen die Verurteilung erfolgt ist, besonders die vorausgehende Verschleppung aus dem Ausland“. Der für Europa zuständige Abteilungsleiter im iranischen Außenministerium kritisierte vor dem deutschen Botschafter die „Nachsicht“, die in einigen Ländern bei der Vorbereitung von „Terrorakten“ im Iran vorherrsche.
Amnesty: 251 Hinrichtungen im vergangenen Jahr
Bei den Protesten in zahlreichen iranischen Städten zwischen Dezember 2017 und Januar 2018 wurden mindestens 25 Menschen getötet. Die Demonstrationen, die zunächst als Proteste gegen die hohen Lebenserhaltungskosten begonnen hatten, nahmen bald eine politische Wendung.
Nach Angaben von Amnesty International (ai) wurden im Iran im vergangenen Jahr mindestens 251 Menschen hingerichtet, das ist die weltweit zweithöchste Zahl bei der Vollstreckung von Todesurteilen. Die meisten Hinrichtungen fanden demnach in China statt.
Amnesty bezeichnete Sam als „Journalisten und Regimekritiker“. Die Organisation hatte nach seiner Verurteilung versucht, gegen die Vollstreckung der Todesstrafe zu intervenieren. Sie hatte die EU dazu aufgerufen, sich bei Irans geistlichem Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei für Sam einzusetzen. Es handle sich um eine „schockierende Eskalation in Irans Einsatz der Todesstrafe als Waffe der Unterdrückung“, verurteilte die Organisation die Hinrichtung.
Auch die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) zeigte sich am Samstag „schockiert“ über die Vollstreckung des Urteils. „RSF ist empört über dieses neue Verbrechen der iranischen Justiz“, schrieb die Organisation auf Twitter.