Die internationale Gemeinschaft verstärkt ihre Bemühungen um ein Ende des jahrelangen Bürgerkriegs in Libyen. Die Vereinten Nationen und Deutschland planen für den 5. Oktober ein virtuelles Treffen, an dem neben UN-Generalsekretär António Guterres eine Reihe von Außenministern und Vertreter der Konfliktparteien teilnehmen sollen. Die Lage in dem nordafrikanischen Land bleibt äußerst instabil. Der Chef der international anerkannten Regierung, Fayez al-Sarradsch, kündigte am Mittwochabend seinen Rücktritt an.
Alle internationalen Bemühungen, den Konflikt in Libyen beizulegen, sind bisher erfolglos geblieben. Deutschland war bereits im Januar Gastgeber eines Treffens mit Vertretern fast aller Staaten, die in Libyen Einfluss haben. Diese sagten damals zu, ein Waffenembargo einzuhalten und sich nicht in den Konflikt einzumischen.
Die UN hatten seitdem jedoch mehrfach beklagt, dass weiter Waffen nach Libyen geliefert worden seien. Erst vor Kurzem verhinderte die Bundeswehr im Rahmen der EU-Operation Irini eine Lieferung, die vermutlich an den Warlord Haftar gehen sollte.
Viele Konfliktparteien, viele Interessen
In Libyen herrscht seit dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi 2011 Bürgerkriegschaos. Zahlreiche Milizen bekämpfen sich, rivalisierende Gruppen ringen um die Macht. Während im Westen in der Hauptstadt Tripolis die von der UN anerkannte Regierung von Al-Sarradsch sitzt, herrschen de facto im Osten Libyens der Warlord Khalifa Haftar und dessen selbsternannte Libysche Nationalarmee (LNA).
Die international anerkannte Al-Sarradsch-Regierung erhält Unterstützung von der Türkei, die eigene Truppen nach Libyen geschickt hat. Warlord Haftar wiederum findet Verbündete in Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), Russland und Frankreich. Nach einem internen UN-Bericht kämpfen Hunderte Söldner der privaten russischen „Wagner Gruppe“ auf der Seite des Warlords in Libyen.
Der Konflikt eskalierte im vergangenen Jahr, als Haftar seinen Truppen eine Offensive auf Tripolis befahl. Von Osten her rückten sie bis nach Tripolis vor. Der militärische Eingriff der Türkei brachte jedoch eine Wende zu Gunsten der Anhänger der international anerkannten Regierung, die Haftars Truppen bis zur strategisch wichtigen Hafenstadt Sirte zurückdrängten. Im August erklärten sowohl Al-Sarradsch als auch die abtrünnigen Gebiete in Ost-Libyen eine Waffenruhe.
Spitzentreffen im Berlin-Format
Auch politisch gab es vorsichtige Hoffnungszeichen. In Marokko und in der Schweiz kamen erstmals wieder Vertreter verschiedener libyscher Seiten zu Gesprächen zusammen, wo sie sich vorsichtig annäherten. Dabei herrschte prinzipiell Einigkeit, dass eine Einheitsregierung gebildet werden soll und am Ende einer 18 Monate langen Phase Präsidenschafts- und Parlamentswahlen abgehalten werden müssen.
Diplomatisch aktiv sind auch die Türkei und Russland, die bereits im Syrienkonflikt eng zusammenarbeiten und in Libyen zentrale Akteure sind. „Bei den letzten Gesprächen haben wir uns bezüglich einer Waffenruhe und eines politischen Prozesses etwas mehr angenähert“, sagte der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu am Mittwochabend.
Das neue Spitzentreffen ist im sogenannten Berlin-Format geplant – angelehnt an die Konferenz in der deutschen Hauptstadt im vergangenen Januar. Mit dem Gipfel im Frühjahr hatte Deutschland eine Vermittlerrolle in dem Konflikt eingenommen und einen kurzen Moment des Aufbruchs erzeugt.