27.03.2023, Israel, Beit Yanai: Regierungskritische Demonstranten verbrennen Reifen und eine Flagge. Zehntausende Israelis protestieren gegen den Plan von Premierminister Netanjahu zur Überarbeitung der Justiz. / Photo: DPA (dpa)
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Nach wochenlangen heftigen Protesten der Bevölkerung hat Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu eine „Pause“ bei der von seiner rechtsreligiösen Regierung vorangetriebenen umstrittenen Justizreform angekündigt. Die endgültige Verabschiedung der einzelnen Gesetzesprojekte der Justizreform solle erst nach Beginn der neuen Parlamentsperiode Mitte April stattfinden, sagte Netanjahu am Montagabend in einer Fernsehansprache. Zuvor hatten Kritiker und Präsident Isaac Herzog eine Unterbrechung des Gesetzgebungsverfahrens gefordert.

„Wenn es eine Möglichkeit gibt, einen Bürgerkrieg durch Dialog zu verhindern, mache ich als Ministerpräsident eine Pause für den Dialog“, sagte Netanjahu in seiner Ansprache. „Ich gebe einem echten Dialog eine echte Chance (als Zeichen) meines Willens, die Spaltung des Volkes zu verhindern.“

Die größte Gewerkschaft beendete unmittelbar nach Netanjahus Ankündigung am Abend einen Generalstreik, zu dem sie aus Protest gegen die geplante Justizreform aufgerufen hatte. Die USA begrüßten die von Netanjahu angekündigte „Pause“. Sie gebe mehr Zeit für die Suche nach einem Kompromiss, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre.

27.03.2023, Israel, Tel Aviv: Die israelische Polizei setzt Wasserwerfer ein, um einen Protest gegen die von Premierminister Benjamin Netanjahu geplante Reform des Rechtssystems aufzulösen. (DPA)

Präsident forderte erneut „sofortigen Stopp“ der Reform

Vor Netanjahus Rede am Abed waren am Montag erneut zehntausende Israelis gegen die Regierungspläne auf die Straße gegangen. Präsident Herzog, der zuvor wiederholt vor einer Spaltung der Gesellschaft und einem „Bürgerkrieg“ infolge des Gesetzesvorhabens gewarnt hatte, hatte die rechtsreligiöse Regierung erneut zu einem „sofortigen Stopp“ des Gesetzgebungsverfahrens aufgerufen.

Er schloss sich damit einer Forderung des am Sonntagabend entlassenen Verteidigungsministers Joav Gallant an. Gallant, ein Parteifreund und bislang enger Vertrauter von Netanjahu, war von dem umstrittenen Vorhaben der ultrarechten Regierungskoalition zum Umbau der Justiz abgerückt und hatte eine Unterbrechung des Gesetzgebungsverfahrens gefordert. Er warnte, eine fortdauernde Spaltung der Bevölkerung in dieser Frage könne zu einer „wirklichen Bedrohung für die Sicherheit Israels“ werden.

27.03.2023, Israel, Tel Aviv: Die israelische Polizei trennt einen Protest gegen die von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geplante Reform des Rechtssystems von einer regierungsfreundlichen Demonstration. (DPA)

Rechtsextremist Ben Gvir warnt vor Anarchie Der als Architekt der Reform geltende Justizminister Jariv Levin hatte erklärt, er werde „jede Entscheidung akzeptieren, die Ministerpräsident Netanjahu in Bezug auf das Gesetz trifft“. Israels rechtsextremer Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir warnte vor Netanjahus Ankündigung hingegen vor einem Aussetzen des Gesetzgebungsprozess. Dieser dürfe „nicht gestoppt werden“, erklärte Ben Gvir auf Twitter. „Wir dürfen nicht vor der Anarchie kapitulieren.“

Nach anhaltenden Massenprotesten teilte Itamar Ben-Gvir später mit, er habe sich auf eine Verschiebung mit Netanjahu verständigt. Im Gegenzug soll eine „Nationalgarde” unter der Führung des rechtsextremen Politikers eingerichtet werden. Medienberichten zufolge waren Ben-Gvir und Netanjahu zuvor zu einer Krisensitzung zusammengekommen. Dabei soll der Chef der ultrarechten Partei Otzma Jehudit damit gedroht haben, die Regierungskoalition platzen zu lassen, sollte das Gesetzesvorhaben auf Eis gelegt werden.

Wochenlange Proteste gegen israelische Regierung Die Pläne der Regierung sorgen seit Wochen für Massenproteste in Israel. Das Vorhaben zielt darauf ab, die Befugnisse der Justiz und des Obersten Gerichts einzuschränken und die Stellung des Parlaments und des Ministerpräsidenten zu stärken.

Netanjahu, gegen den ein Prozess wegen Korruption läuft, stellt die Reform als notwendig dar, um das Gleichgewicht in der Gewaltenteilung wiederherzustellen. Kritiker befürchten hingegen eine Aufhebung der Gewaltenteilung und eine Aushöhlung der Demokratie in Israel.

AFP