Bei einem mutmaßlichen israelischen Angriff auf das Büro des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) im Süden Gazas nahe der Stadt Rafah sind nach Angaben der Organisation mehr als 20 Menschen getötet worden. „Großkalibrige Geschosse“ seien am Freitagnachmittag „in unmittelbarer Nähe des Büros und der Wohnhäuser“ der Organisation eingeschlagen, erklärte das IKRK. Angesichts der Lage im Libanon warnte UN-Generalsekretär António Guterres indes vor einem „zweiten Gaza“.
Zu dem Beschuss auf das Vertriebenenlager im Küstengebiet Al-Mawasi erklärte das IKRK, der Vorfall habe „einen massenhaften Zustrom von Opfern auf das nahegelegene Feldkrankenhaus des Roten Kreuzes“ ausgelöst. Dort seien 22 Tote und 45 Verletzte registriert worden. Zudem gebe es Berichte über weitere Opfer.
In der Umgebung des IKRK-Büros leben hunderte Vertriebene in Zelten. Angriffe in „so gefährlicher Nähe humanitärer Einrichtungen gefährden das Leben von Zivilisten und Mitarbeitern des Roten Kreuzes“, schrieb die Organisation weiter. Die Standorte seien den Konfliktparteien bekannt und zudem „deutlich mit dem Emblem des Roten Kreuzes gekennzeichnet“.
„Dieser schwerwiegende Sicherheitsvorfall ist einer von mehreren in den vergangenen Tagen“, hieß es weiter. Bereits zuvor hätten Querschläger Standorte des IKRK getroffen.
Zahlreiche Tote bei israelischen Angriffen
Das palästinensische Gesundheitsministerium im Gazastreifen meldete 25 Tote und 50 Verletzte bei dem Angriff. Die israelische Armee habe „Zelte von Vertriebenen in der Gegend von Al-Mawasi“ angegriffen. Ein Sprecher der israelischen Armee dementierte einen Angriff, der Vorfall werde aber untersucht.
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums unter Berufung auf den Direktor des Al-Ahli-Krankenhauses wurden weiter nördlich in Gaza-Stadt am Freitag zudem 30 Menschen bei einem israelischen Angriff getötet. Angaben des palästinensischen Zivilschutzes zufolge wurden zudem fünf Menschen bei einem Angriff auf eine Garage in Gaza-Stadt getötet.
Israel führt seit dem 7. Oktober einen Vernichtungskrieg in Gaza. Erklärtes Ziel ist die Zerschlagung der Hamas, doch es wurden bisher Zehntausende Zivilisten getötet.
Nach palästinensischen Angaben wurden in Gaza seit dem 7. Oktober mehr als 37.500 Menschen getötet und mehr als doppelt so viele verletzt. Die Zahl könnte weit höher sein, da noch viele Tote unter den Trümmern liegen und nicht geborgen werden können.
„Libanon darf nicht zu einem zweiten Gaza werden“
Mit Sorge wird auch die Lage im Grenzgebiet zwischen dem Libanon und Israel betrachtet. UN-Generalsekretär António Guterres warnte am Freitag vor einer Eskalation des Konflikts. „Das Risiko einer Ausweitung des Konflikts im Nahen Osten ist real“, sagte Guterres. „Die Menschen in der Region und die Menschen auf der Welt können es sich nicht leisten, dass der Libanon zu einem zweiten Gaza wird“, sagte er vor Journalisten in New York.
Guterres verwies auf die zunehmend „kriegerische Rhetorik“. „Eine überstürzte Aktion, eine Fehlkalkulation könnte eine Katastrophe auslösen, die weit über die Grenze und jede Vorstellungskraft hinausgeht", fügte er hinzu.
Seit Beginn des Gaza-Krieges wächst die Angst vor einem neuen Krieg im Libanon. Immer wieder kommt es zu Angriffen Israels entlang der libanesischen Grenze, die von der Hisbollah-Miliz erwidert werden.
Am Dienstag hatte die israelische Armeeführung einen Einsatzplan für eine mögliche Invasion im Libanon beschlossen. Außenminister Israel Katz drohte der Hisbollah mit ihrer Zerstörung in einem „umfassenden Krieg“.