Die Türkei gedenkt der Opfer des Militärputsches vom 27. Mai 1960. Es war der erste Putsch in der Geschichte der modernen Türkei und prägt seither das Land.
Vor genau 60 Jahren verhafteten türkische Militäroffiziere mittleren Ranges ihren eigenen Oberbefehlshaber und stürzten die erste demokratisch gewählte Regierung der Türkischen Republik.
Es folgte ein inszenierter Gerichtsprozess gegen den damaligen Premierminister Adnan Menderes und seine Kabinettsmitglieder. Man legte ihm und seinen Kollegen „die Veruntreuung öffentlicher Gelder und die Aufhebung der Verfassung“ zur Last. Am 17. September 1961 wurde er dann hingerichtet. Ein Tag zuvor wurden der Außenminister Fatin Rüştü Zorlu und der Finanzminister Hasan Polatkan ebenfalls erhängt.
Präsident Celal Bayar und Ex-Generalstabschef Rüştü Erdelhun wurden ebenfalls vor Gericht gestellt – sie entkamen dem Tod.
Putsch per Radio verkündet
Noch vor Sonnenaufgang des 27. Mai 1960 führte eine Gruppe von Militäroffizieren einen Staatsstreich durch - und übernahm die Kontrolle über wichtige militärische und zivile Einrichtungen. Die Putschisten verhafteten unter Missachtung der Befehlskette die zivilen Anführer und den Armeechef und riefen anschließend den Notstand aus.
Der General a.D. Cemal Gürsel übernahm die Führung der Militärjunta. Später wurde er zum Präsidenten des Landes deklariert.
Oberst Alparslan Türkeş verkündete per Radioübertragung den Staatsstreich der türkischen Nation und der ganzen Welt. Die Militärjunta verhängte eine landesweite Ausgangssperre und erklärte die Bildung eines „Komitees der Nationalen Einheit“.
Nach dem Putsch schickte die Militärjunta 235 Generäle und mehr als 3000 Militäroffiziere in den Ruhestand. Mehr als 500 Richter und Staatsanwälte wurden von ihren Ämtern entfernt. Auch die Universitäten litten unter dem Putsch - 1400 akademische Stellen wurden neu besetzt.
Große Spannungen zwischen Regierung und Opposition
Der Staatsstreich von 1960 war der Höhepunkt monatelanger Spannungen zwischen der damals regierenden Demokratischen Partei (DP) unter der Führung von Menderes und der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP) unter der Führung von Ismet Inönü.
1923 erklärte sich die CHP als politische Partei, die bis 1945 die einzige Partei des Landes war. Bei den Wahlen 1950 war es allerdings die Demokrat Parti, welche die Mehrheit im Parlament stellte und die CHP somit zum ersten Mal in die Oppositionsrolle drängte.
Die DP hatte bis zum Putsch drei aufeinander folgende Wahlen gegen die CHP gewonnen. Bei den Parlamentswahlen im Jahre 1957 gewann Menderes mehr als 50 Prozent der Wählerstimmen – und hatte damit einen eindeutigen Sieg verbucht.
Das Militärgerichtsverfahren gegen Menderes und die anderen türkischen Politiker fand auf der Insel Yassıada in Istanbul statt und dauerte etwa ein Jahr. Im Anschluss wurden Menderes und seine beiden engen Begleiter auf der Insel Imralı im Marmarameer hingerichtet.
Fast drei Jahrzehnte später sprach der türkische Staat sie 1990 von allen Anklagepunkten frei. Die sterblichen Überreste von Menderes und seinen Gefährten wurden von der Insel gebracht und in einem Mausoleum in Istanbul beigesetzt.
Menderes war für seine Politik der Transparenz und Liberalität bekannt. In seiner Regierungsperiode trat die Türkei der NATO bei. Er verfolgte auch wirtschaftlich einen neuen Kurs. Der Premierminister war mit seiner höflichen Art beim Volk beliebt.