Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat die weltweiten Proteste gegen Israels Angriffskrieg in Gaza als „Aufschrei des Gewissens“ bezeichnet. „Wer auf der richtigen Seite der Geschichte steht, erhebt nun seine Stimme“, sagte Erdoğan am Mittwoch auf dem Rückflug von seinem Algerien-Besuch. Während einige Regierungen geschwiegen hätten, habe der Angriff auf Gaza „glücklicherweise das Gewissen der Menschen aufgerüttelt“, so Erdoğan.
Erdoğan verwies auf die jüngsten Proteste in Deutschland, Großbritannien, den USA sowie auf die regierungskritischen Kundgebungen in Israel. „Die Zahl der Menschen, die Palästina auf der Straße unterstützen, wächst“, sagte er.
„Politiker, die sich dieser Stimme verschließen, werden bald die Konsequenzen in Form der demokratischen Reaktion ihrer Völker zu spüren bekommen“, warnte Erdoğan. Mit ihrer pro-israelischen Haltung würden sie zu „Unterstützern des Genozids“.
„Israel muss zur Rechenschaft gezogen werden“
Erdoğan wiederholte seine Forderung nach einer gemeinsamen internationalen Anstrengung gegen die „Unterdrückung“ in Gaza. „Wir müssen Israel zwingen, sich an das Völkerrecht zu halten und es für seine Taten zur Rechenschaft ziehen“, sagte er. Die israelischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürften nicht toleriert werden.
„Die israelische Besatzung und der Staatsterror in Gaza und anderen palästinensischen Städten ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ein Genozid“, betonte er. Erdoğan sprach sich zudem für eine umfassende Strategie zur Aufhebung der Belagerung des Gazastreifens aus.
Evakuierungen über Rafah-Grenzübergang
Erdoğan lobte zudem die Bemühungen der ägyptischen Regierung zur Evakuierung von Patienten aus Gaza über den Grenzübergang Rafah. Immer mehr Patienten aus dem Gazastreifen würden in türkischen Krankenhäusern behandelt.
„Wir wollen alle Patienten so schnell wie möglich evakuieren. Mein Wunsch ist es, die Menschen, die chirurgische Eingriffe benötigen, vor allem die Kinder, so schnell wie möglich aufzunehmen und medizinisch zu versorgen“, fügte Erdoğan hinzu.
„Islamische Welt darf nicht schweigen“
Erdoğan sagte, um Gaza von der israelischen Belagerung zu befreien, sei eine umfassende Strategie nötig. Dafür müssten alle Mitglieder der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) und der Arabischen Liga einbezogen werden. Es müsse alles getan werden, um einen Waffenstillstand zu erreichen und Hilfe für die Bevölkerung in Gaza zu ermöglichen.
Besonders die islamische Welt dürfe zu dieser „Aggression“ nicht schweigen, betonte der türkische Staatschef. Ein möglicher „Verlust von Gaza“ würde die Einheit und Solidarität der islamischen Welt gefährden, warnte Erdoğan
Gefangenenaustausch zwischen Hamas und Israel
Mit Blick auf die von der Hamas festgehaltenen Israelis sagte Erdoğan, er glaube nicht, dass die Hamas den Israelis in Gewahrsam Schaden zufüge. Israel halte Tausende Palästinenser, darunter auch Minderjährige, in Gefangenschaft. Die Hamas versuche, diese Menschen aus den Gefängnissen zu befreien.
Menschenrechtsgruppen berichten von katastrophalen Haftbedingungen von Palästinensern in Israel. So würden den Gefangenen immer wieder Essen und Wasser entzogen. Zudem würden in Haft verstorbene Palästinenser nicht an Angehörige übergeben, sondern in Kühlhäusern aufbewahrt.
Ankara halte an der Hoffnung fest, dass positive Ergebnisse erzielt würden, unterstrich Erdoğan. „Ich glaube, dass die Schmerzen, die wir derzeit erleben, den Geburtswehen des lang ersehnten Friedens in unserer Region und der damit verbundenen Gründung eines palästinensischen Staates ähneln“.