Der armenisch-orthodoxe Patriarch Sahak Maşalyan hat die Instrumentalisierung der Trauer der armenischen Gemeinde über die Ereignisse von 1915 als politisches Werkzeug durch Drittstaaten verurteilt. Solche Aktionen hinderten die türkische und armenische Gesellschaft daran, sich weiterzuentwickeln oder neue Beziehungen aufzubauen, sagte der religiöse Führer im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Anadolu am Freitag.
„Es ist erwünscht, dass Drittländer ermutigende Beiträge zu diesen Zielen leisten“, forderte er und fügte hinzu, dass einige Regierungen seit Jahrzehnten die Ereignisse im Ostanatolien des Jahres 1915 für ihre eigene Agenda missbrauchten. Dies verursache jedoch nur weitere Spannungen und leiste keinen positiven Beitrag.
Die Türkei werde „weiterhin die Wahrheit gegen diejenigen verteidigen, die Verleumdungen unterstützen“, kündigte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Donnerstag an.
Präsident Erdoğans Bemerkungen erfolgten vor dem Hintergrund, dass sich in diesem Jahr auch der neue US-Präsident Joe Biden auf das Narrativ Armeniens einlassen könnte. Biden soll Medienberichten zufolge die Anerkennung der Ereignisse von 1915 als „Völkermord“ planen.
Die Vereinigten Staaten und ihre Präsidenten haben es bislang konsequent vermieden, das Wort „Genozid“ zu verwenden. Als Präsidentschaftskandidat hatte Biden im Vorjahr hingegen geäußert, im Falle seiner Wahl zum Präsidenten dem Druck armenischer Lobbygruppen nachzugeben. Damals äußerte er: „Ich verspreche, eine Resolution zur Anerkennung des Völkermords an den Armeniern zu unterstützen und werde die universellen Menschenrechte zu einer Top-Priorität für meine Regierung machen.“
Maşalyan sagte, dass er sich weiterhin Frieden, Freundschaft und Wohlergehen zwischen Türken und Armeniern wünschen würde. „Wir werden die Ereignisse, die vor 105 Jahren stattgefunden haben, als eine Ausnahme in einer 1000-jährigen gemeinsamen Geschichte sehen und uns dafür einsetzen, dass die Beziehungen in gegenseitiger Nachbarschaft und im gegenseitigen Interesse wieder aufgebaut werden“, sagte er weiter.
Maşalyan bedankte sich auch bei Präsident Recep Tayyip Erdoğan dafür, dass er bisher der einzige türkische Präsident war, der sich offen mit der armenischen Gemeinschaft solidarisch gezeigt hatte.
„In den Botschaften (von Präsident Erdoğan zu den Ereignissen von 1915) kommt ein Respekt zum Ausdruck, der Aufmerksamkeit hervorruft. Wir glauben, es wäre richtig, diese Botschaften als positive Schritte für eine zukünftige Versöhnung zu sehen. Ich wünschte, es könnte eine gemeinsame Geschichtskommission geben, wie sie (von der türkischen Regierung) vorgeschlagen wurde“, betonte der Patriarch.
Die Türkei wehrt sich gegen die Darstellung der Ereignisse von 1915 als „Völkermord“ und bezeichnet sie als Tragödie, bei der sowohl Türken als auch Armenier großes Leid erlitten. Ankara hat wiederholt die Bildung einer gemeinsamen Kommission von Historikern aus der Türkei und Armenien unter der Aufsicht internationaler Experten vorgeschlagen, um das Thema zu untersuchen.