Die Bundesregierung reagiert mit einem milliardenschweren Hilfspaket für Unternehmen in Deutschland auf Belastungen durch den Ukraine-Krieg. Viele Firmen ächzen vor allem unter explodierenden Energiepreisen, aber auch Lieferketten sind gestört. Das Paket sieht unter anderem ein Kreditprogramm über die staatliche Förderbank KfW vor sowie Energiekosten-Zuschüsse für Firmen.
Keine Schadloshaltung wie in der Corona-Krise
„Wir wollen Härten abfedern und Strukturbrüche verhindern“, sagte Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Freitag in Berlin. Er sprach von einem wirtschaftspolitischen „Stoßdämpfer“. Ein umfassender Schutz ist das Hilfspaket aber nicht. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte, eine „totale Kostenübernahme“ durch den Staat gebe es nicht.
Damit unterscheidet sich das Paket von Maßnahmen nach Lockdowns in der Corona-Pandemie, als die Wirtschaftsleistung einbrach. Obwohl sich wegen des Ukraine-Kriegs die Wirtschaftserwartungen eingetrübt haben: Die Wirtschaft sei auf einem Wachstumskurs, die Lage auf dem Arbeitsmarkt stabil, sagte Lindner.
Habeck sagte, das Paket sei zielgenau, vermeide Fehlanreize und sei umfassend. „Umfassend heißt allerdings nicht, das ist nicht möglich, dass jede Härte weggenommen wird, dass jeder Verlust, jeder mehr Euro für Energie beispielsweise ausgeglichen wird.“ Unternehmen wie Bürger würden eine Last zu tragen haben.
Zwei Entlastungspakete für Bürger
Um diese für die Bürger abzufedern, hat die Koalition inzwischen zwei Entlastungspakete beschlossen. Maßnahmen aus dem ersten Paket wurden am Freitag im Bundestag zum ersten Mal beraten. Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag bei der Einkommensteuer sowie der Grundfreibetrag sollen angehoben werden, genauso wie die Pendlerpauschale für Fernpendler.
Allerdings hatte die Regierung bereits deutlich gemacht, man könne nicht alles ausgleichen. Die Lasten des Kriegs träfen auch Deutschland. Mit Blick auf ein von der EU beschlossenes neues Sanktionspaket gegen Russland mit einem Kohle-Embargo sagte Habeck, die Sanktionen würden Russland hart treffen. „Zur Wahrheit gehört aber auch dazu, dass es keine Sanktionen gibt, die nicht auch wirtschaftliche Konsequenzen hier im Land haben.“ Firmen könnten bestimmte Geschäfte nicht mehr wahrnehmen, zum anderen seien höhere Preise zu tragen.
Das Hilfspaket für die Firmen basiert auf fünf Säulen. Ein KfW-Kreditprogramm soll kurzfristig die Liquidität von Unternehmen sichern. Firmen aller Größenklassen sollen Zugang zu zinsgünstigen, haftungsfreigestellten Krediten bekommen. Das Programm, das noch im April starten soll, soll ein Volumen von bis zu sieben Milliarden Euro umfassen. Daneben soll es Bürgschaftsprogramme geben.
Dazu will die Bundesregierung weitere Maßnahmen vorbereiten. Zum einen soll es einen „zeitlich befristeten und eng umgrenzten“ Kostenzuschuss geben, um bei besonders betroffenen Firmen Kosten des Erdgas- und Strompreisanstiegs zu dämpfen. Diese direkten Zuschüsse für energieintensive Firmen soll es laut Habeck geben, wenn sich die Energiekosten im Vergleich zum vergangenen Jahr mehr als verdoppeln. Geplant ist ein Stufenmodell, es soll einen Zuschuss pro Unternehmen von bis zu 50 Millionen Euro geben.
Geprüft werden sollen außerdem zielgerichtete Eigen- und Hybridkapitalhilfen. In der Pandemie wurde über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds zum Beispiel die Lufthansa gerettet. Nun könnte dies aber über „Zuweisungsgeschäfte“ der KfW geschehen.
Außerdem soll es ein Finanzierungsprogramm für Unternehmen geben, die durch hohe Sicherheitsleistungen gefährdet sind. Bei plötzlichen, dramatischen Preissprüngen müssen Unternehmen, die an den Energiebörsen mit Strom und Erdgas auf Termin handeln, an der Börse gegebenenfalls kurzfristig sehr hohe zusätzliche Sicherheiten hinterlegen, sogenannte Margins.
Wirtschaft begrüßt Hilfspaket
Die Bundesregierung will nun standardisierte Kriterien erarbeiten, um Unternehmen kurzfristig Kreditlinien der KfW zu gewähren, die mit einer Bundesgarantie unterlegt sind. Dafür sei ein Kreditvolumen von insgesamt bis zu 100 Milliarden Euro vorgesehen. Habeck sagte, man dürfe in keinem Fall zulassen, dass systemrelevante Unternehmen fielen und damit den deutschen Energiemarkt und die Versorgungssicherheit gefährdeten.
Wirtschaftsverbände hatten die Hilfen seit längerem gefordert. Die Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, Kerstin Andreae, sagte, die Energieversorger seien beim Einkauf von Energie mit Kosten in nie dagewesener Höhe konfrontiert. Es sei daher richtig, dass die Regierung die Möglichkeit schaffe, dass Unternehmen bei Bedarf temporär auf Darlehen der KfW zurückgreifen und weitere Maßnahmen in Anspruch nehmen könnten.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) erklärte: „Die angekündigten Hilfen müssen den Unternehmen nun rasch zur Verfügung stehen, die bereits heute wegen der dramatisch gestiegenen Energiepreise in existenziellen Schwierigkeiten stecken.“ Die verkündeten Maßnahmen gingen in die richtige Richtung, sagte Peter Adrian, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). „Ob die Maßnahmen letztlich ausreichen werden, um die deutsche Wirtschaft nach gut zwei Jahren Corona jetzt auch durch diese Krise zu bringen, ist derzeit nicht abzusehen, denn dafür ist die aktuelle Entwicklung zu dynamisch.“