Die Union sieht vorerst keinen Bedarf, das Bundesverfassungsgericht als Reaktion auf das Erstarken extremer Parteien stärker vor Einflussnahme zu schützen und hat entsprechende Gespräche mit der Ampel-Regierung beendet. „Die Unionsfraktion sieht derzeit keine zwingende Notwendigkeit, die Regelungen zum Bundesverfassungsgericht im Grundgesetz zu ändern“, sagte Unionsfraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) der „Rheinischen Post“. In Gesprächen mit Vertretern der Ampelfraktionen sei deutlich geworden, dass eine Umgestaltung der rechtlichen Grundlagen des Bundesverfassungsgerichts nicht nur Vorteile habe. Solche Änderungen des Grundgesetzes müssten sehr gut überlegt sein, sagte Lindholz.
Aus Sorge vor dem Erstarken extremer Parteien hatte die Ampel-Koalition erwogen, Einzelheiten zur Wahl und zur Amtszeit von Verfassungsrichtern nicht nur in einem einfachen Gesetz, sondern im Grundgesetz festzuschreiben. Diese könnten dann nicht mehr mit einfacher Mehrheit, sondern nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit geändert werden. Das könnte zum Beispiel verhindern, dass bei einem Regierungswechsel Richter vergleichsweise einfach aus dem Amt entfernt werden könnten.
Faeser: Union tut nicht genug für Schutz der Demokratie
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat der Union vorgeworfen, sie tue nicht genug, um die Demokratie und den Rechtsstaat vor Sabotage zu schützen. „In diesen Zeiten braucht es staatspolitische Verantwortung statt Fundamentalopposition“, sagte Faeser am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Gerade wenn es darum gehe, die Demokratie zu schützen, sollte für alle Demokraten der Grundsatz gelten: „Erst das Land, dann die Partei.“
Bundesjustizminister Marco Buschmann sagte der Deutschen Presse-Agentur, er bedauere, dass die Union nicht mehr für Gespräche in der Sache bereitstehe. „Gerade im Jahr des 75sten Geburtstages des Grundgesetzes wäre es ein wichtiges Zeichen gewesen, die Abwehrkräfte unserer Demokratie und des Rechtsstaats zu stärken“, sagte der FDP-Politiker. Weitere Gespräche blieben auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich. Bundesinnenministerin Nancy Faeser schrieb auf der Plattform X, vormals Twitter: „In diesen Zeiten braucht es staatspolitische Verantwortung statt Fundamentalopposition.“
Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz nannte die Entscheidung der Union fahrlässig und kritisierte CDU-Chef Friedrich Merz. „Während Millionen Menschen in unserem Land für unseren Rechtsstaat und seine Wehrhaftigkeit auf die Straße gehen und eine klare Erwartungshaltung in Richtung Politik adressieren, kriegt es Friedrich Merz noch immer nicht hin, über seinen Schatten zu springen, so dass wir als Demokratinnen und Demokraten gemeinsam und überfraktionell an einem besseren Schutz unserer höchsten Verfassungsorgane arbeiten können“, sagte er. Die jüngste Positionierung dürfe nicht das Ende der überfraktionellen Gespräche sein. „In einer sicherheitspolitisch extrem angespannten Situation das Schutzniveau für das Bundesverfassungsgericht nicht zu erhöhen, ist politisch entweder naiv oder in höchstem Maße fahrlässig.“
Auch SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese griff die Union für die Entscheidung an. «In einer der schwierigsten Zeiten für unsere Demokratie seit Jahrzehnten wird die Union ihrer Rolle als verantwortungsvolle Opposition in keinster Weise gerecht», sagte Wiese der „Rheinischen Post“. Er hoffe, dass die Union ihrer staatspolitischen Verantwortung noch gerecht werde.