Symbolbild: Mehrfamilienhäuser in Berlin (dpa)
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Der Wohnungsmarkt in der Bundeshauptstadt bleibt ein Sorgenkind, und Studenten gehören zu den Hauptleidtragenden dieser Entwicklung. Eine Analyse des Marktforschungsinstituts empirica, über die „rbb“ berichtete, zeigt, dass kaum Neubauwohnungen verfügbar sind, deren Kaltmiete unterhalb von 14 Euro pro Quadratmeter liegt.

Zwei Drittel der angebotenen Mietwohnungen in Berlin waren im Vorjahr zu mindestens diesem Mietzins zu haben, bei 46 Prozent lag er sogar bei 16 Euro oder höher. Grundlage der Erhebung waren eine repräsentative Stichprobe aller angebotenen Neubauwohnungen auf Onlineportalen seit 2012 sowie die Statistik über die jährliche Zahl der neugebauten geförderten Wohnungen.

Giffey warnt vor Enteignungsdebatte

Auch eine Analyse des Portals „immowelt“ über die Angebotsmieten im Verhältnis zum Bafög-Höchstsatz kam zum Ergebnis, dass in 37 von 68 untersuchten Städten die Wohnpauschale nicht für die Deckung der Kaltmiete ausreicht. Zwar ist in Berlin demnach die Lage weniger prekär als in München, wo Studenten bei einer durchschnittlichen Kaltmiete von 750 Euro 87 Prozent des kompletten Bafög-Zuschusses allein für die Wohnung ausgeben müssen.

Mit einem durchschnittlichen Mietzins von 500 Euro für eine Singlewohnung und 950 Euro für eine WG-taugliche fressen jedoch Mieten in der Hauptstadt 58 Prozent des Bafög auf. Demgegenüber sind es in sächsischen Großstädten nur zwischen 21 (Chemnitz) und 31 Prozent (Dresden).

Die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt macht gerade viele Betroffene aus der jüngeren Generation anfällig für radikale und populistische Forderungen wie eine Enteignung großer privater Wohnungsgesellschaften, über die am Tag der Bundestagswahl abgestimmt wird. Die Spitzenkandidatin der SPD für das Amt des Regierenden Bürgermeisters, Franziska Giffey, warnt bereits jetzt vor den möglichen Folgen eines „Ja“.

In zehn Jahren sollen 200.000 Wohnungen entstehen

Giffey will nach eigenem Wortlaut den Wohnungsbau zur „Chefsache“ machen und in den kommenden zehn Jahren jährlich mindestens 20.000 Wohnungen neu errichten. Sie ist dabei selbstkritisch genug, um zu erkennen, dass es kontraproduktiv wirken würde, die Investoren zum Sündenbock für Versäumnisse der Politik im Wohnbau zu machen – und für gescheiterte Vorstöße wie den „Mietendeckel“, den das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig aufgehoben hatte.

Ihr ehrgeiziges Ziel zu erreichen, gehe „nur mit vereinten Kräften“, erklärte sie gegenüber der „Welt“. „Und nicht, indem wir Investoren mit Enteignungsdebatten in die Flucht schlagen.“ Giffey würde sogar eine Deutschland-Koalition mit CDU und FDP einer Fortsetzung des bestehenden Linksbündnisses vorziehen, sollten die Koalitionspartner von linksaußen – Grüne und Linkspartei – auf ihrer Enteignungsdebatte beharren, die eigenen Angaben zufolge dem „Druckaufbau“ dient.

„Ein bisschen enteignen geht nicht“, erklärte Giffey dazu gegenüber der „Welt“. „Man kann den Vermietern nicht die Pistole auf die Brust setzen und dann reden. Es muss schon partnerschaftlich sein.“

Baukosten und Baulandpreise belasten Investoren immer stärker

Fachleute wie empirica-Geschäftsführer Reiner Braun unterstreichen, dass nicht die privaten Investoren, sondern die Politik selbst die Verantwortung trägt für die explodierenden Mieten. Das habe mit unterschiedlichen Faktoren zu tun – vom Notverkauf gemeindeeigener Wohnungen zur Budgetkonsolidierung in der Vergangenheit über den unterbliebenen Bau neuer Wohnungen bis hin zu überzogenen Vorgaben und staatlichen Auflagen.

Dadurch seien zum einen die Baukosten, zum anderen auch die Baulandpreise in die Höhe geschossen. Braun dazu gegenüber rbb:

„Selbst wenn der Investor wollte, könnte er gar nicht mehr billiger bauen. Denn die staatlichen Auflagen, wie zum Beispiel die Energieeinsparverordnung, haben dazu geführt, dass die Immobilien viel teurer gebaut werden müssen als vor 20 Jahren.“

Berliner Senat verfehlt eigenes Wohnbauziel

Während die Baukosten seit der Jahrtausendwende um 70 Prozent gestiegen seien, hätten sich die Baulandpreise seit 2010 sogar mehr als verfünffacht. Mit diesen Kosten müsse ein Investor kalkulieren. „Und wenn er auch nur einen kleinen Gewinn machen will, kann er die Wohnung nicht für unter zehn Euro pro Quadratmeter anbieten.“

Das Land selbst ist erst 2014 wieder in den geförderten Wohnungsbau eingestiegen – und die rot-rot-grüne Koalition hat statt der angekündigten 8500 neuen geförderten Wohnungen bis Ende 2020 lediglich 5800 schaffen können.

Die landeseigenen Wohnbaugenossenschaften sollen dem Modell der kooperativen Baulandentwicklung zufolge unter allen Neubauten zu 50 Prozent Sozialwohnungen errichten, wofür das Land ihnen unentgeltlich Grundstücke zur Verfügung stellen wird. Privaten Investoren wird eine entsprechende Quote von 30 Prozent vorgeschrieben. Auf die Objekte sollen ausschließlich Mieter einen Anspruch haben, die über einen sogenannten Wohnberechtigungsschein verfügen.

Immowelt-Analyse: Wohngemeinschaft im Schnitt um 138 Euro günstiger

In Berlin betrifft dies immerhin ein Drittel aller Haushalte. Studenten können, da sie regelmäßig unter den dafür relevanten Einkommensgrenzen liegen, in vielen Fällen auf einen solchen hoffen.

Eine weitere Immowelt-Analyse der Situation in 68 Hochschulstädten unterstreicht, dass Wohngemeinschaften in Berlin für Studenten eine lohnenswerte Option sein können, um bezahlbaren Wohnraum zu finden. In 38 Städten könnten Studenten demnach mindestens 100 Euro an Miete im Monat sparen, wenn sie sich für das Leben in einer WG entscheiden. In Berlin beträgt das Einsparungspotenzial sogar 183 Euro – alleine zu wohnen würde ausschließlich in ostdeutschen Städten keine wesentlichen Mehrkosten entfalten.

Das Einsparungspotenzial ergibt sich dabei aus gemeinsam getragenen Mietanteilen, Nebenkosten und Aufwendungen für die Hausarbeit.

„Geld reicht nur für Miete und Grundsicherung aus“

Gegenüber TRT Deutsch hat sich der Berliner Student M. O. zu der Thematik geäußert. Er lebt nach wie vor im Haushalt seiner Mutter. Dass er eine private Hochschule besucht, hat seine finanzielle Situation zusätzlich erschwert:

„Neben dem Studium musste ich in meiner Freizeit viel arbeiten, um das Geld für meine Hochschule abbezahlen zu können. Ich musste jeden Monat eine horrende Summe bezahlen und konnte es mir nicht leisten, in eine neue Wohnung in Berlin einzuziehen. Da die Mieten in Berlin auch ziemlich hoch sind, war es letztendlich unvorstellbar, mir eine eigene Wohnung zu leisten.“

Die meisten seiner früheren Mitschüler seien ebenfalls nach dem Abitur in Berlin geblieben, weil die Stadt das breiteste Angebot an Studienfächern zu bieten habe. Ausnahmen habe es natürlich auch gegeben. Allerdings mussten auch alle, die außerhalb Berlins studiert hätten, neben dem Studium noch arbeiten gehen, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können
„Das, obwohl Sie Bafög bezogen haben“, ergänzt M. O., „das Geld reicht nur für die Miete und Grundsicherung aus.“

TRT Deutsch