Deutschland hat nach offiziellen Angaben ausreichend mRNA-Impfstoff für Erst-, Zweit- und Auffrischimpfungen. Das betonten der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn und der Präsident des Paul-Ehrlich-Institus (PEI), Klaus Cichutek, am Montag in Berlin. Beide warben ebenso wie der Charité-Experte Leif Erik Sander bei Bürgerinnen und Bürgern dafür, sich nicht nur mit BioNTech, sondern auch mit Moderna impfen zu lassen. „Beide Impfstoffe sind gleichwertig“, betonte der PEI-Präsident. Von beiden Vakzinen zusammen seien bis Jahresende 50 Millionen Impfdosen verfügbar, sagte Spahn. Der CDU-Politiker sagte zudem, dass man mit BioNTech über Nachlieferungen spreche. Aktuell prüfe BioNTech, ob und wenn ja, wie viele Dosen das Unternehmen kurzfristig und zusätzlich zu den vertraglich vereinbarten liefern könnte, erklärte eine Firmensprecherin auf Anfrage.
Biontech sei der Mercedes, Moderna der Rolls-Royce
Spahn räumte Irritationen ein, weil das Gesundheitsministerium die Lieferung von BioNTech für die nächsten Wochen wegen der hohen Bestellmengen gedrosselt habe. Allerdings würden allein in dieser Woche sechs Millionen Dosen ausgeliefert, so dass sich dann acht bis neun Millionen Dosen in der Versorgungskette befänden - dies sei ausreichend für eine erhebliche Zeit. Ab kommender Woche würden zudem zunächst dann wöchentlich zwei bis drei Millionen weiterer BioNTech-Dosen ausgeliefert - aber eine unbegrenzte Menge an Moderna. Das Vakzin von BioNTech nannte der Minister den „Mercedes“, das von Moderna bezeichnete er als „Rolls-Royce“.
PEI-Präsident Cichutek kritisierte die öffentliche Debatte über den Einsatz beider Impfstoffe als unangemessen. Beides seien sehr gute, effektive mRNA-Impfstoffe. Deutschland sei ein „Schlaraffenland“ was die Impfstoffversorgung angehe. Charité-Experte Sander wies auf Vorteile sogenannter Kreuzimpfungen hin, bei denen bei der Auffrischungsimpfung ein Impfstoff eines anderen Herstellers verwendet wird.
Spahn war am Wochenende von Politikern und Ärzten scharf dafür kritisiert worden, dass er die BioNTech-Auslieferung drossele. Dies sei das falsche Signal in einer Phase, in der massiv um ein beschleunigtes Impf-Tempo geworben werde. „Dies ist ein Schlag ins Gesicht für unsere Praxen. Die damit verbundenen Umstellungen auf einen anderen Impfstoff führen zu einem erheblichen Mehraufwand in den Praxen“, hatte der Landesvorsitzende des Hausärzteverbandes Baden-Württemberg, Berthold Dietsche, erklärt. Das Gesundheitsministerium verwies darauf, dass derzeit 90 Prozent der Bestellung auf BioNTech liefen, so dass Moderna kaum genutzt werde. Spahn betonte, dass das Ministerium alle Impfdosen ausliefere, über die es verfüge.
„Geimpft, genesen oder gestorben“
Das BioNTech-Vakzin für Kinder von fünf bis elf Jahren würde an alle EU-Staaten am 20. Dezember ausgeliefert, bekräftigte Spahn. Die von Deutschland bestellten Dosen von 2,4 Millionen würden zunächst ausreichen, um den Bedarf zu decken. In Deutschland leben Spahn zufolge 4,5 Millionen Fünf- bis Elfjährige. Im Januar und Februar würden dann weitere Lieferungen folgen, sagte der Minister.
Spahn betonte erneut, dass eine Impfung keine rein persönliche Angelegenheit sei. „Es stimmt einfach nicht“, sagte er zu entsprechenden Äußerungen auch von Bundestagsabgeordneten. „Es gibt eine solidarische Pflicht, sich impfen zu lassen.“ Im übrigen sei er sicher, dass am Ende dieses Winters jeder in Deutschland „geimpft, genesen oder gestorben“ sein werde. Mit Blick auf die hochansteckende Delta-Variante rate er daher dringend nochmals zur Impfung. Charité-Experte Sander betonte, es sei klar, die sich zuspitzende Lage sei „einer zu niedrigen Impfquote geschuldet“. Daran bestehe kein Zweifel. „Deswegen müssen wir alles unternehmen, um die Impflücken zu schließen.“
Das Robert-Koch-Institut meldete am Montag erneut einen Höchststand bei der Sieben-Tage-Inzidenz. Sie stieg auf 386,5 nach 372,7 am Sonntag. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. Das RKI registrierte zudem 30.643 Neuinfektionen, das sind über 7000 Fälle mehr als vor einer Woche.
Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen hält es derweil für möglich, dass die vergangenen Donnerstag von den Ampel-Parteien beschlossenen Corona-Maßnahmen in zwei Wochen nachgeschärft werden müssen. Er sei „sehr besorgt“ über die Entwicklung, sagte er in der ARD. „Es kann durchaus sein, dass wir, wenn wir in zwei Wochen reevaluieren mit den Ländern, sagen, 'es reicht nicht', und wir werden dann weiterreichende Maßnahmen beschließen müssen.“ Mehrere Bundesländer verschärften am Montag bereits ihre Corona-Maßnahmen.