Das Siegerlächeln ist aus Manuela Schwesigs Gesicht verschwunden. Bei der Landtagswahl im September hatte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin die Sozialdemokraten noch zu einem fulminanten Erfolg geführt, die Macht im Land zementiert und ihre eigene Position in der SPD-Spitze gefestigt. Gut sechs Monate und viele Tausend russische Granaten und Raketen auf die Ukraine später ist Schwesig in Erklärungsnot. „Putin-Helferin“, „Handlanger von Gazprom“ - so lauten nur zwei der vielen Schlagzeilen über die 47-Jährige in jüngster Zeit. Die Ministerpräsidentin aus Schwerin, die noch vor kurzem unangreifbar schien, muss nun um ihr Amt in der Staatskanzlei bangen. Auch Forderungen nach ihrem Rücktritt gibt es schon. Die frühere Bundesfamilienministerin erhält nun die Quittung für ihr lange Zeit sehr entgegenkommendes Agieren gegenüber Russland. Vehement hatte sie den Bau der Ostsee-Erdgasleitung Nord Stream 2, durch die unter Umgehung der Ukraine russisches Gas nach Deutschland fließen sollte, gegen alle Kritik aus dem In- und Ausland verteidigt. Doch nicht nur verbal stellte sie sich an die Seite Russlands. Kreml-nahe Stiftung bringt Schwesig in Bedrängnis Anfang 2021 wurde eine Stiftung ins Leben rufen, die helfen sollte, die Pipeline trotz US-Sanktionsdrohungen fertigzustellen. Wie jetzt publik gewordene Unterlagen zeigen, war die Nord Stream 2 AG mit dem russischen Staatskonzern Gazprom als Mehrheitseigner direkt an den Vorbereitungen für die Stiftung beteiligt. Innenminister Christian Pegel (SPD) räumt ein, dass er als damaliger Energieminister während der Arbeit an der Satzung regelmäßig Kontakt zu Nord Stream 2 hatte und Wünsche des Unternehmens einfließen ließ. Auch Schwesig gab zu, dass es Gespräche gab, wies jedoch Berichte zurück, wonach bei der Stiftungsgründung Nord Stream 2 die Feder geführt habe. „Wir haben in der Landesregierung und im Landtag unsere Entscheidungen selbst getroffen und niemand anderes sonst.“ Die Initiative für die Stiftung sei von Pegel ausgegangen. Die Opposition vermutet nun, dass der Minister das „Bauernopfer“ werden könnte.
Schwesig warb noch kurz vor russischem Einmarsch für Pipeline
Nach Unterlagen aus der Staatskanzlei, aus denen die „Welt am Sonntag“ zitierte und die auch der dpa vorliegen, gab es auch ein abgestimmtes „Argumentationspapier“ zur Stiftung. Der Darstellung, dass der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die Stiftung initiierte, wird widersprochen. Doch gab es mehrere Treffen zwischen Schwesig und Schröder, einem langjährigem Vertrauten von Kremlchef Wladimir Putin mit Posten in russischen Staatskonzernen.
Noch Mitte Januar, als Russlands Truppen schon an der Grenze zur Ukraine standen, warb Schwesig für Nord Stream 2: „Ich hoffe auf ein zügiges, rechtsstaatliches Verfahren, damit die Leitung in Betrieb gehen kann“, sagte sie vor dem Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. Kurz darauf stoppte die Bundesregierung das Genehmigungsverfahren.
Wie viele andere Politiker musste sich Schwesig spätestens zu diesem Zeitpunkt das Scheitern ihrer Strategie eingestehen. „Mit dem heutigen Wissen war das Festhalten an Nord Stream 2 und die Einrichtung der Klima- und Umweltstiftung ein Fehler. Ein Fehler, den auch ich gemacht habe“, räumte die SPD-Politikerin vor dem Landtag ein. Doch die Opposition wirft ihr weiterhin vor, allen Warnungen zum Trotz an der Zusammenarbeit mit Russland festgehalten zu haben.
Untersuchungsausschuss soll sich mit Stiftung befassen
Auf Betreiben von CDU, FDP und Grünen wird nun im Landtag ein Untersuchungsausschuss eingesetzt, der sich von Mai an eingehend mit der Stiftung für Klima- und Umweltschutz Mecklenburg-Vorpommern befassen wird. Jener Stiftung also, die vordergründig Klima-Projekte fördern sollte, zugleich aber einen von Nord Stream geführten wirtschaftlichen Teil umfasste, der die Fertigstellung der Gasleitung vorantrieb. Die Deutsche Umwelthilfe sprach von einer „Tarnorganisation“ und nannte Schwesig „Gaslobbyistin“.
200.000 Euro steuerte das Land für die Stiftung bei, 20 Millionen Euro Nord Stream 2. Nur ein Bruchteil floss bislang im Umweltprojekte. Wie viel Geld über die Stiftung für den Pipelinebau aufgewendet wurde und ob damit etwa auch ein Schiff gekauft wurde, darüber schweigen sich Regierung und Stiftungsvorstand aus. Der Ausschuss soll nun Licht ins Dunkel bringen.
„Ministerpräsidentin kann nicht gleichzeitig Putin-Lobbyistin sein“
CDU-Bundesgeschäftsführer Mario Czaja sagte dem „Spiegel“: „Der Untersuchungsausschuss in Schwerin muss jetzt rasch aufklären, wie stark sich Manuela Schwesig für die Interessen Russlands hat instrumentalisieren lassen oder noch lässt und welche Konsequenzen daraus gezogen werden müssen.“ Eine Ministerpräsidentin könne nicht gleichzeitig „Putin-Lobbyistin“ sein.
Dann wird es auch um die Rolle von Schwesigs Vorgänger und Förderer Erwin Sellering gehen. Der SPD-Politiker hatte 2014, im Jahr der Krim-Annexion, in Mecklenburg-Vorpommern einen „Russlandtag“ aus der Taufe gehoben. Vor gut einem Jahr übernahm er den Vorsitz der Stiftung - und hält gegen den Willen Schwesigs, die Stiftung aufzulösen, daran fest. Auch dies dürfte nicht dazu beitragen, dass sich die Gesichtszüge der Regierungschefin bald aufhellen.