Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat scharfen Gegenwind für einen Vorschlag bekommen, Steuerausfälle der Kommunen in der Corona-Krise und Altschulden in Milliardenhöhe mit einem gemeinsamen Schutzschirm aufzufangen. Ein Konzeptpapier aus seinem Ministerium sieht dazu ein Hilfspaket von bis zu 57 Milliarden Euro vor, das Bund und Länder jeweils zur Hälfte stemmen sollen. „Ich habe angekündigt, dass ich dazu Vorschläge machen will. Ich glaube, das ist jetzt auch der richtige Zeitpunkt sie zu diskutieren“, sagte Scholz am Samstag in der SPD-Parteizentrale. Die erwarteten Gewerbesteuerausfälle bezifferte er mit 12 Milliarden Euro. Scharfe Kritik kam aus der Union - besonders aus Bayern, Baden-Württemberg und Hessen.
Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer forderte eine Überarbeitung des Konzepts. Sie sagte der „Saarbrücker Zeitung“: „Die Vorschläge von Olaf Scholz sind nicht wirklich neu und haben in der Vergangenheit nur wenige überzeugt.“ Die große Koalition sei sich einig, dass Investitionen der öffentlichen Hand auch starke Kommunen benötigten. „Dafür steht auch die CDU.“ Das Vorhaben könne von der Union aber nur dann beurteilt werden, wenn klar sei, wie ein Konjunkturpaket und der Haushalt für Europa insgesamt aufgestellt seien. „Um das seriös beurteilen zu können, muss Olaf Scholz da nacharbeiten“, forderte Kramp-Karrenbauer.
Hessens Ministerpräsident:Scholz macht „alles falsch“
„Scholz greift in die Mottenkiste. Das ist langweilig und in der Sache falsch. Er will die Krise jetzt ausnutzen, um seinen alten Plan der Schuldenumverteilung umzusetzen“, kritisierte aus Baden-Württemberg der CDU-Landesvorsitzende und Bundesvize, Innenminister Thomas Strobl. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte, Scholz mache „alles falsch“. „In der Krise muss man zusammenhalten und nicht ohne jede Rücksprache etwas verkünden, das mehr Probleme aufwirft, als es löst.“
Schon am Samstag war Ablehnung aus Bayern gekommen. „Die Vorschläge von Bundesminister Scholz wird Bayern keinesfalls mitmachen“, sagte Finanzminister Albert Füracker (CSU). „Wenn der Bund den Kommunen helfen möchte, darf er das gern tun - eine Zwangsverpflichtung der Länder nach den Regeln des Bundes ohne Absprache ist aber eine Unverschämtheit.“ Kritik kam auch vom niedersächsischen Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU). In Städten und Regionen mit hohen Schulden leben nach Einschätzung des Deutschen Städtetags zehn Millionen Menschen. Hier ist die Kreditlast laut Kommunalem Finanzreport der Bertelsmann Stiftung besonders hoch: In Nordrhein-Westfalen bei 1343 Euro je Einwohner, in Rheinland-Pfalz bei 1812 Euro und im Saarland sogar bei 2070 Euro. In Bayern und Baden-Württemberg spielen sogenannte Kassenkredite dagegen kaum eine Rolle - in Bayern lagen sie im Schnitt bei 14 Euro, in Baden-Württemberg bei 19 Euro pro Einwohner. Etwa 2000 Kommunen im gesamten Bundesgebiet seien mit Kassenkrediten so hoch belastet, dass allein die Bedienung der Zinsen eine unlösbare Situation sei, geht aus dem Papier hervor, über das das „Rheinische Post“ und „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ (WAZ) berichteten. Für die Übernahme kommunaler Liquiditätskredite sind in dem Konzept demnach 45 Milliarden Euro vorgesehen. Diese „einmalige Hilfe des Bundes“ für die betroffenen Städte und Gemeinden solle noch in diesem Jahr wirksam werden. Die dafür nötige Verfassungsänderung (Art. 109 Abs. 1 GG) solle bis Ende dieses Jahres von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden.
Scholz: „Wir müssen das Altschuldenproblem lösen“
SPD-Chef Norbert Walter-Borjans wies die Kritik zurück. Wenn die Union sich querlege, „zeugt das nicht nur von Geschichtsvergessenheit, wie viel die Solidarität der ehedem reichen Kohle- und Stahlregionen zum Aufbau der Bundesrepublik beigetragen hat“, sagte Walter-Borjans.
„Wir müssen das Altschuldenproblem lösen, indem der Bund und die Länder, in denen unsere Städte und Gemeinden liegen, diese Gemeinden entlasten“, sagte Scholz. „Und wir müssen dafür sorgen, dass die Einnahmeausfälle, die in diesem Jahr entstehen, nicht dazu führen, dass Investitionen zurückgefahren werden, dass Aufgaben nicht bewältigt werden können, die jetzt ja noch dringender sind, als ohnehin schon“ Das habe sonst dramatische Folgen. Städte und Gemeinden seien die größten öffentlichen Investoren in Deutschland.
Zustimmung kam aus Rheinland-Pfalz, dem Saarland und dem bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen sowie vom Deutschen Städtetag. „Der Vorschlag kommt zur rechten Zeit, bevor die Unsicherheit wächst und bevor die Kommunen ihre Haushaltsplanung für das nächste Jahr anpacken müssen“, erklärte der Präsident des Städtetags, der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung.