An der Spitze der österreichischen Sozialdemokraten steht künftig der 52-jährige Hans Peter Doskozil. Der ehemalige Verteidigungsminister und burgenländische Ministerpräsident erhielt am Samstag bei einem außerordentlichen SPÖ-Bundesparteitag in Linz 53 Prozent der Stimmen der rund 600 Delegierten. Doskozil setzte sich damit gegen den Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler und einen weiteren Mitbewerber durch. Doskozil, bekannt für seinen migrationskritischen Kurs und seine aktive Sozialpolitik auf Landesebene, folgt auf Pamela Rendi-Wagner. Die 52-jährige Ärztin war in einer Mitgliederbefragung zur Führungsfrage hinter Doskozil und Babler gelandet und hat ihren Rückzug aus der Politik angekündigt.
Der neue Parteichef erhielt für seine nachdenkliche und selbstkritische Bewerber-Rede viel Applaus. Er kritisierte, dass die SPÖ und ihre Funktionäre die Bürgernähe eingebüßt hätten. „Vielleicht haben wir verlernt, den Interessen der Bevölkerung zu dienen.“ Die SPÖ habe es sich in Koalitionen eher machtpolitisch bequem gemacht, statt auf die Durchsetzung ihrer Wahlziele zu drängen. Dazu zählten ein gerechter Mindestlohn und eine bessere medizinische Versorgung für alle. Demonstrativ kündigte Doskozil ein Gesetz zum Verbot von Parteispenden im Burgenland an.
Parteispenden - nicht zuletzt an die regierende konservative ÖVP - spielen in der innenpolitischen Debatte in Österreich immer wieder eine wichtige Rolle. Doskozils Stimme, die nach mehreren Kehlkopf-Operationen heiser klingt, führt immer wieder zu Debatten, ob er für ein politisches Spitzenamt gut gerüstet sei. Er versicherte den Delegierten, dass sein gesundheitliches Problem ihn nicht an der Führung der Partei hindern werde. „Die Stimme wird nicht verloren gehen“, auch wenn er weitere Operationen nicht ausschließen könne.
Einheit der Partei auf fragilem Fundament
Andreas Babler, Vertreter des linken Flügels der Partei, warb nach einer Phase der Zerstrittenheit für eine neue Geschlossenheit und kündigte ein „unglaubliches Comeback“ der SPÖ an. Die SPÖ müsse Seite an Seite mit den Gewerkschaften selbstbewusst unter anderem für besseren Lohn kämpfen, so Babler. Die Rolle eines „Bittstellers“ müsse überwunden werden. Der Kommunalpolitiker hatte im Vorfeld eine 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich gefordert. Die beachtlichen 47 Prozent der Stimmen für das von Babler vertretene ausgesprochen linke Lager werfen aber auch Fragen nach der Einheit der Partei auf.
„Die Gefahr eines möglichen Auswanderns eines Teils des linken Flügels muss Doskozil sofort bannen“, sagte Politikberater Thomas Hofer. Mittelfristig ergebe sich für den auch in anderen Wählerschichten anerkannten Politiker die Chance, Stimmen aus dem Lager der ÖVP und FPÖ wieder zurückzugewinnen - auch durch seine populistische Art. „Die Regierungsfähigkeit und die Regierungsaussicht für die SPÖ haben sich mit Doskozil spürbar erhöht“, so Hofer.
Der Parteitag soll Schlusspunkt einer langen parteiinternen Diskussion um die Führungsqualitäten der bisherigen Vorsitzenden Rendi-Wagner sein. Die SPÖ kommt bei den aktuellen Umfragen auf etwa 23 Prozent. Die rechte FPÖ liegt mit etwa 28 Prozent nach Angaben der Demoskopen vorne, die zusammen mit den Grünen regierende konservative Partei ÖVP sehen die Experten bei etwa 21 Prozent. Regulärer Termin für die nächste Nationalratswahl ist Herbst 2024.