Die Haushaltskrise muss aus Sicht von Ökonom Marcel Fratzscher schnellstmöglich beendet und ein Bundeshaushalt 2024 verabschiedet werden. „Sonst eskaliert die Lage und könnte die deutsche Wirtschaft erneut in die Rezession treiben“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung der Deutschen Presse-Agentur.
Experte: „Stabilität muss jetzt oberste Priorität haben“
„Das größte Problem heute, politisch wie wirtschaftlich, sind nicht Kürzungen von Ausgaben oder Subventionen, sondern ein so massiver Vertrauensverlust in die Handlungsfähigkeit der Politik, dass Unternehmen ihre Investitionen absagen oder ins Ausland verlagern“, so Fratzscher. „Stabilität und das Einlösen von Versprechen muss jetzt für die Bundesregierung oberste Priorität haben.“
Fratzscher sprach sich für ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse aus, wie dies auch viele in der SPD und bei den Grünen wollen - die FDP ist allerdings bisher sehr skeptisch. „Die Erklärung einer Notlage für 2024 und das Einhalten aller Versprechen ist bei weitem der beste Weg, um noch größeren wirtschaftlichen Schaden abzuwenden“, sagte der Ökonom. Mittelfristig gebe es viele Einsparmöglichkeiten, primär bei Subventionen für fossile Energieträger von knapp 60 Milliarden Euro im Jahr, wie beispielsweise dem Privileg bei Diesel und Flugbenzin. „Zudem sollten auch Steuerprivilegien bei Erbschaften, Immobilien und der Mehrwertsteuer abgebaut werden.“
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) ringen seit Tagen darum, wie ein 17 Milliarden Euro großes Loch im Etat für 2024 gestopft werden kann. Es entstand unter anderem durch das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts.
Die SPD-Fraktionsspitze hält einen Bundestagsbeschluss über den Haushalt 2024 in diesem Jahr nicht mehr für möglich. Entsprechend äußerte sich die parlamentarische Geschäftsführerin der größten Koalitionsfraktion, Katja Mast, am Donnerstag in einer mit Fraktionschef Rolf Mützenich abgestimmten SMS an ihre Fraktion.
Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnt angesichts der Haushaltskrise vor einem weiteren Rezessionsjahr. Ein mögliches Streichen von geplanten Ausgaben im Umfang der für nichtig erklärten Finanzmittel könnte das Bruttoinlandsprodukt im kommenden Jahr um bis zu einem halben Prozent sinken lassen, sagte BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner. Schon im zu Ende gehenden Jahr dürfte Europas größte Volkswirtschaft um 0,4 Prozent schrumpfen. Eine verlässliche Prognose sei derzeit wegen der Unklarheiten über den Haushalt 2024, den Klima- und Transformationsfond sowie andere Sondervermögen derzeit nicht möglich.