Der am Sonntag in Kraft tretende Berliner Mietendeckel ist auch aus Sicht des Deutschen Mieterbunds (DMB) ein Wagnis. Das Land Berlin betrete mit dem Gesetz juristisches Neuland, sagte DMB-Geschäftsführer Ulrich Ropertz der Deutschen Presse-Agentur. Es sei denkbar, dass der Mietendeckel beim Bundesverfassungsgericht scheitere. „Es ist trotzdem richtig, dass das Land Berlin versucht, die Mietpreisspirale zu stoppen. Der Bundesgesetzgeber hat es in den letzten Jahren versäumt, wirksame Leitplanken im Mieterhöhungsrecht zu verabschieden“, so Ropertz.
In einem bundesweit einmaligen Gesetz friert Berlin die Mieten für 1,5 Millionen Wohnungen für fünf Jahre ein. Mit dem Vorgehen will die rot-rot-grüne Koalition den zuletzt starken Anstieg der Mieten in der Hauptstadt bremsen. In manchen Stadtteilen haben selbst Normalverdiener kaum noch Chancen, eine bezahlbare Wohnung zu finden.
CDU und FDP haben Verfassungsklagen auf Bundes- wie auf Landesebene angekündigt. Sie sehen ebenso wie Wirtschaftsverbände einen zu schwerwiegenden Eingriff in das Privateigentum und gehen davon aus, dass die Mietenpolitik Sache des Bundes ist. „Der Mietendeckel ist verfassungswidrig und wird dafür sorgen, dass keine neuen Wohnungen entstehen und alte nicht saniert werden. Damit erweist Rot-Rot-Grün den Mietern einen Bärendienst“, erklärte der wohnungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Daniel Föst, am Samstag.
Mietendeckel - „Atempause vor Mieterhöhungen“
Angesichts der angekündigten Klagen hofft Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller auf rasche Rechtssicherheit: „Damit die Menschen wissen, dass sie sich auf den Mietendeckel verlassen können“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Für die Berliner biete der Mietendeckel eine „Atempause vor Mieterhöhungen“. „Gleichzeitig werden wir die Zeit nutzen, neue bezahlbare Wohnungen zur Entlastung des Mietenmarktes zu bauen“, versprach Müller.
Sollte der Mietendeckel vor Gericht bestehen, erwartet Müller Nachahmer: Debatten über stark steigende Wohnkosten würden in etlichen großen Städten geführt. Vor diesem Hintergrund schauten viele jetzt „mit großem Interesse und sehr genau“ nach Berlin.
Der Deutsche Mieterbund rechnet durch das Gesetz mit mittelfristig niedrigeren Mieten. Das Gesetz verschaffe Mietern eine fünfjährige Atempause, sagte DMB-Geschäftsführer Ropertz. Es sei aber strittig, ob das Land überhaupt die Kompetenz dafür habe. Möglicherweise problematisch sei etwa das Zusammenwirken des neuen Gesetzes mit dem bisherigen Mietrecht. „Und Streit ist auch bei der Frage vorprogrammiert, wie und welche Mieterhöhungen nach fünf Jahren Mietendeckel möglich sind.“
Ropertz empfiehlt Mietern, sich in Zweifelsfällen immer rechtlich beraten zu lassen und Beträge aus reduzierten Mieten zur Seite zu legen für den Fall, dass sie etwas nachzahlen müssen, wenn der Mietendeckel für verfassungswidrig erklärt werden sollte.
Berliner Mieterverein will Beratungsangebot ausdehnen
Der Berliner Mieterverein kündigte an, sein Beratungsangebot auszudehnen. „Mieter und Mieterinnen sollten die Ansprüche aus dem neuen Landesgesetz nutzen, sich nicht einschüchtern lassen und den sicher massiv auftretenden Umgehungsversuchen der Vermieterschaft entgegentreten“, teilte Geschäftsführer Reiner Wild am Samstag mit.
Das Mietendeckel-Gesetz ist auf fünf Jahre befristet. Ausgenommen sind Neubauwohnungen, die ab 1. Januar 2014 bezugsfertig wurden, aber auch Sozialwohnungen mit Mietpreisbindung oder Wohnheime. Konkret werden die meisten Mieten auf dem Niveau vom 18. Juni 2019 eingefroren - an dem Tag hatte der Senat erste Eckpunkte beschlossen. Wird eine Wohnung künftig wieder vermietet, muss sich der Vermieter an neue, vom Staat festgelegte Obergrenzen und die zuletzt verlangte Miete halten. Ab 2022 dürfen die Mieten zum Inflationsausgleich um bis zu 1,3 Prozent jährlich steigen.
Vorgesehen ist auch eine Möglichkeit für Mieter, vor Gericht gegen überhöhte Mieten zu klagen und sich Geld zurückzuholen. Dieser Teil soll aber erst in etwa neun Monaten in Kraft treten. Bei Verstößen gegen den Mietendeckel drohen Vermietern bis zu 500.000 Euro Bußgeld.