Die Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt hatte eigenen Angaben zufolge allein in den vergangenen vier Jahren 650 Beschwerden über unzulässige Benachteiligungen im Prozess der Wohnungsvergabe zu bearbeiten. Dies berichtet die österreichische Tageszeitung „Der Standard“. Und das, obwohl in ganz Deutschland bereits seit 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gilt.
Die Beschwerden beziehen sich nicht nur auf Einzelfälle privater Anbieter von Einzelobjekten, auch gegen Großkonzerne wie die Deutsche Wohnen konnten Klienten der Fachstelle in einigen Fällen Schadensersatz geltend machen.
Keine Wohnung, weil Ehefrau Nikab trägt
Ein Beispiel dafür sei der Berliner Cem K., der Anfang 2020 vom Amtsgericht Charlottenburg 3000 Euro an Entschädigung zugesprochen bekam, nachdem er sich im Oktober 2018 vergeblich um eine Wohnung bemüht hatte. Dass er aus unsachlichen Gründen diskriminiert worden war, hatte er selbst noch am gleichen Tag herausgefunden – als er sich mit einem fiktiven deutschen Namen um dieselbe Wohnung bewarb und postwendend eine Einladung zu einer Besichtigung des Objekts erhielt, das kurz zuvor „wegen übergroßer Nachfrage“ nicht zu besichtigen gewesen sein sollte.
Ähnliche Fälle habe die Fachstelle regelmäßig auf dem Tisch, erklärt Berater Remzi Uyguner: „Jeder Dritte mit Migrations- oder Fluchtgeschichte berichtet über solche Erfahrungen.“ Darunter seien auch einige „wirklich krasse Fälle“, zum Beispiel als ein Vermieter kurz vor Unterschrift eines bereits fertig ausverhandelten Vertrages gesehen hatte, dass die Frau seines Mieters in spe einen Nikab trug.
Um die häufig auftretenden Beweisschwierigkeiten zu umgehen, hat die Fachstelle mittlerweile einen „Leitfaden für Testing“ entwickelt, mit dessen Hilfe Mietinteressenten der Fairness von Anbietern auf den Zahn fühlen können. Der Vorteil davon wäre, dass Gerichte diesen als zulässiges Beweismittel bezüglich des Vorliegens einer möglichen Diskriminierung aus AGG-widrigen Beweggründen anerkennen.
Fake-Bewerbung mit identischen Daten zu Beweiszwecken
Zu den Kontrollmechanismen, die Uyguner und seine Kollegen potenziell Betroffenen empfehlen, gehört unter anderem die Testanfrage unter fingiertem deutschem Namen – aber sonst weitgehend gleichen Angaben, etwa zu Alter, Beruf oder Familienstand. Aber auch Bewerber mit Kindern oder Behinderung seien häufig Benachteiligungen ausgesetzt.
Die Fachstelle wolle auch diesen mit Beratung und Begleitung zur Seite stehen. Zudem schreibe man Vermieter an, die bereits durch zweifelhaftes Vorgehen im Bereich der Wohnungsvergabe auffällig geworden waren, um diesen deutlich zu machen, „dass wir Diskriminierung im Blick haben.“
Der Leitfaden „Berlin vermietet fair!“ sei von der Fachstelle zusammen mit der Wohnungswirtschaft erstellt worden. Fairness bedeute, so heißt es darin, Mitverantwortung für den Erhalt eines vielfältigen Wohnungsangebots zu übernehmen und Vergabekriterien sichtbar zu machen.
28 Juli 2021
Berlin: Fachstelle rückt Diskriminierung bei Wohnungsvergabe zu Leibe
Nach wie vor ist die Zahl an Beschwerden wegen diskriminierender Behandlung von Interessenten bei der Vergabe von Wohnungen hoch. Nun hat die zuständige Fachstelle einen „Leitfaden für Testing“ entwickelt, um schwarze Schafe leichter zu überführen.
TRT Deutsch
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