„Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen, die Handlungsfähigkeit des Bundeskanzlers ist vor diesem Hintergrund in Frage gestellt", sagte der grüne Vizekanzler Werner Kogler am Donnerstag in einer Mitteilung. Am Mittwoch hatten Staatsanwälte unter anderem das Bundeskanzleramt und die Parteizentrale der konservativen ÖVP durchsucht.
Günstige Berichterstattung gekauft?
Laut der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSTA) stehen enge Mitstreiter von Kurz im Verdacht, dem damaligen Außenminister günstige Berichterstattung im Medienunternehmen „ÖSTERREICH“ erkauft zu haben, um Kurz ab 2016 den Weg an die Parteispitze und in das Bundeskanzleramt zu ebnen. Dafür soll Geld aus dem Finanzministerium zweckentfremdet worden sein. Die Ermittler sehen in Kurz einen Beteiligten an den Verbrechen der Untreue und Bestechlichkeit. Kurz hat alle Anschuldigungen zurückgewiesen.
„Der Eindruck ist verheerend“, sagte Kogler. Der grüne Parteichef kündigte Gespräche mit allen Parlamentsparteien und mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen an. „Wir müssen gemeinsam für Stabilität und Aufklärung sorgen und darum möchte ich parteiübergreifend das weitere Vorgehen beraten“, sagte er. Am Mittwoch hatten die Oppositionsparteien im Parlament – die Sozialdemokraten, die liberalen Neos und die rechte FPÖ - den Rücktritt von Kurz gefordert.
Kurz will trotz Korruptionsvorwürfen Kanzler bleiben Österreichs Kanzler Sebastian Kurz will trotz der Korruptionsermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn im Amt bleiben. Das bekräftigte der Regierungschef am Mittwochabend in der ORF-Nachrichtensendung „ZiB2“. Es gebe überhaupt kein Indiz dafür, dass er persönlich zum Beispiel in die Beauftragung für ihn günstiger Meinungsumfragen oder in das Schalten von Inseraten verwickelt sei, sagte Kurz. „All diese Vorwürfe, die es da gibt, richten sich gegen Mitarbeiter des Finanzministeriums.“
Dass Umfragen zu seinen Gunsten manipuliert worden seien, sei schon deshalb abwegig, weil Dutzende Umfragen im fraglichen Zeitraum 2016 ganz ähnliche Werte für Parteien und Politiker ergeben hätten.
Liberale NEOS fordern Neustart für Österreich ohne Kurz Nach den Korruptionsvorwürfen Kanzler Sebastian Kurz fordern die liberalen Neos einen Neustart für das Land. „So kann es nicht weitergehen“, sagte die Chefin der Oppositionspartei, Beate Meinl-Reisinger, am Donnerstag. Das Land brauche eine saubere Regierung. Neuwahlen seien dafür nicht nötig. Kanzler Kurz schade mit seiner Weigerung, zurückzutreten, dem Land und dem Amt.
„Es gibt eine klare Amtsunfähigkeit von Kurz“, sagte die Neos-Chefin weiter. Sie begrüßte das Angebot der Grünen, die sich mit den anderen Parlamentsparteien beraten wollen. Die Grünen als Koalitionspartner der ÖVP hatten am Vormittag ebenfalls die Handlungsfähigkeit von Kurz infrage gestellt. Mehr zum Thema: Österreich: Razzia in ÖVP-Zentrale und Kanzleramt