Vor seinem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin hat der französische Präsident Emmanuel Macron bekräftigt, dass er ein Entsenden westlicher Bodentruppen in die Ukraine nicht ausschließt. „Alle diese Optionen sind möglich“, sagte Macron am Donnerstagabend den Fernsehsendern TF1 und France 2. In dem Interview machte er zugleich deutlich, dass er den Zeitpunkt für Bodentruppen nicht gekommen sieht und ein solcher Einsatz nicht sein Wunsch ist.
Man setze nicht auf Eskalation und befinde sich auch nicht im Krieg gegen Russland, man dürfe Russland den Krieg in der Ukraine aber nicht gewinnen lassen, sagte Macron. „Um den Frieden in der Ukraine zu erreichen, darf man nicht schwach sein.“ Man müsse die Situation nüchtern betrachten. „Und wir müssen mit Entschlossenheit, Wille und Mut sagen, dass wir bereit sind, die Mittel einzusetzen, die nötig sind, um unser Ziel zu erreichen, dass Russland den Krieg nicht gewinnt.“
Macron kommt am Freitagmittag in Berlin mit Scholz zu einem bilateralen Gespräch zusammen. Anschließend treffen die beiden den neuen polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk. Es ist das erste Treffen auf Spitzenebene dieses sogenannten Weimarer Dreiecks seit Juni 2023.
Verhältnis zwischen Berlin und Paris zuletzt angespannt
Die Gespräche finden knapp drei Wochen nach der Ukraine-Konferenz in Paris statt, zu der Macron rund 20 Staats- und Regierungschefs eingeladen hatte und die in einen Eklat mündete. Auf der anschließenden Pressekonferenz schloss der Präsident die Entsendung von Bodentruppen erstmals öffentlich nicht aus, woraufhin Scholz in den Tagen darauf mehrfach widersprach. „Um es klipp und klar zu sagen: Als deutscher Bundeskanzler werde ich keine Soldaten unserer Bundeswehr in die Ukraine entsenden“, sagte der SPD-Politiker.
Macron erklärte dann bei einem Besuch in Prag: „Wir nähern uns gewiss einem Moment unseres Europas, in dem es angebracht ist, nicht feige zu sein.“ So mancher hat das als Anspielung auf Scholz verstanden, der anders als Frankreich auch keine Marschflugkörper in die Ukraine liefern will. Der Kanzler befürchtet eine Verwicklung Deutschlands in den Ukraine-Krieg.
Scholz beschrieb sein Verhältnis zu Macron trotz aller Differenzen in der Ukraine-Politik am Mittwoch als „sehr freundschaftlich“. Er könne versichern, „dass es anders ist, als immer wieder viele denken: Emmanuel Macron und ich haben ein sehr gutes persönliches Verhältnis – ich würde es sehr freundschaftlich nennen“, sagte er.
„Wir werden in Europa keine Sicherheit mehr haben“
Wie Macron und Scholz auf einen gemeinsamen Nenner kommen wollen, ist aber unklar. Scholz hat klargemacht, dass seine Absage an Bodentruppen eine unverrückbare rote Linie ist. Macron bekräftigte vor seinem Berlin-Besuch, dass er das anders sieht. Russland setze sich keine Grenze bei dem Angriffskrieg auf die Ukraine, Deshalb müsse der Westen sich im Vorhinein auch keine Grenzen bei der Unterstützung des Landes auferlegen, meinte er.
„Der Einzige, der die Verantwortung haben würde, ist das Regime im Kreml, das sind nicht wir“, sagte der Präsident. „Niemals werden wir eine Offensive führen, niemals werden wir die Initiative ergreifen“. Denn Frankreich sei „eine Friedensmacht“, so Macron.
„Wenn Russland gewinnen würde, würde sich das Leben der Franzosen ändern. Wir werden in Europa keine Sicherheit mehr haben“, sagte der französische Präsident. Man könne nicht ernsthaft glauben, dass Russlands Präsident Wladimir Putin, der sich an keine Grenzen gehalten habe, nach einem Sieg in der Ukraine stoppen würde. „Den Frieden heute zu wollen heißt, die Ukraine nicht fallen zu lassen.“