Wegen der massiv gestiegenen Corona-Fallzahlen geht Frankreich erstmals seit dem Frühjahr wieder in einen landesweiten Lockdown. Er beginnt an diesem Freitag und gilt vorerst bis zum 1. Dezember, wie Präsident Emmanuel Macron am Mittwochabend in einer Fernsehansprache ankündigte. Anders als im Frühjahr sollen die Schulen unter strengen Hygiene-Auflagen offen bleiben. Auch die Wirtschaft solle „weder zum Stillstand kommen noch zusammenbrechen“, betonte Macron. Restaurants, Bars und alle nicht unentbehrlichen Geschäfte müssen ab Freitag allerdings für vorerst zwei Wochen schließen, wie Macron in seiner rund 20-minütigen Ansprache ausführte. Danach soll die Maßnahme neu bewertet werden.
„Brutales Bremsmanöver“ unausweichlich
Die Bürger sollen ihre Häuser nur noch aus zwingenden Gründen verlassen, etwa für die Arbeit, zum Einkaufen oder für einen Arzttermin. Private Treffen sollen auf die Kernfamilie beschränkt bleiben, die Bewegungsfreiheit wird nach dem Ende der Herbstferien an diesem Sonntag massiv eingeschränkt. Macron deutete auch eine Ausweitung der Test- und Quarantänepflicht für Einreisende aus der EU an. Weitere Details wollte Premier Jean Castex am Donnerstagabend erläutern. Macron sagte, die massiv gestiegenen Infektionszahlen machten ein „brutales Bremsmanöver“ unausweichlich. Am Wochenende hatte Frankreich einen neuen Höchststand von täglich mehr als 50.000 Neuinfektionen verzeichnet, am Mittwochabend wurden knapp 36.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden gemeldet. Der Staatschef sagte, Frankreich sei wie die meisten Nachbarstaaten von der zweiten Corona-Welle regelrecht „überschwemmt worden“. Kopfzerbrechen bereitet der Regierung insbesondere die Lage der Krankenhäuser. Sie dürften nach den Worten des Staatschefs bis Mitte November mit 9000 Corona-Intensivpatienten konfrontiert sein - das wären rund 2000 mehr als auf dem Höhepunkt der Pandemie im Frühjahr. Macron betonte, die Zahl der Intensivbetten könne auf maximal 10.000 Intensivbetten aufgestockt werden.
Inzidenz fast das Achtfache des Alarmwerts
Die Regierung hatte erst vor zehn Tagen nächtliche Ausgangssperren verhängt, die zuletzt 46 Millionen Franzosen betrafen, mehr als zwei Drittel der Bevölkerung. Dennoch zeigten sie nicht die erwünschte Wirkung. Macron sagte dazu, die massive Ausbreitung des Virus in den vergangenen zehn Tagen habe selbst die Experten „überrascht“.
Der Chef des französischen Krankenhausverbands, Frédéric Valletoux, hatte vor Macrons Ansprache vor „verheerenden“ Folgen für die Kliniken gewarnt, wenn die zweite Corona-Welle nicht gestoppt werde. Der wissenschaftliche Corona-Beirat der Regierung befürchtet, dass die Lage deutlich dramatischer werden könnte als zu Jahresbeginn.
Während im Frühjahr der Pariser Großraum und das Grenzgebiet zu Deutschland Corona-Hotspots waren, breitet sich das Virus nun massiv in ganz Frankreich aus. Die sogenannte Inzidenz lag im Landesschnitt zuletzt bei mehr als 380 pro 100.000 Einwohner - fast das Achtfache des Alarmwerts. In Paris liegt sie nach Angaben der nationalen Gesundheitsbehörde sogar bei rund 800.
Die Zahl der Corona-Todesfälle schnellte zuletzt um mehr als 500 nach oben, weil die Behörden erstmals seit vier Tagen wieder Zahlen aus Altenheimen bekannt gaben. Mit insgesamt 35.541 Todesfällen ist Frankreich nach absoluten Zahlen eines der am stärksten betroffenen Länder Europas.