In Jerusalem ist ein 32-jähriger autistischer Palästinenser am Samstag von israelischen Polizisten erschossen worden, als er auf dem Weg zu seiner Einrichtung für Menschen mit Behinderungen war. Das berichtete die BBC.
Die israelischen Beamten haben nach eigenen Angaben den Verdacht gehabt, der Palästinenser trage eine Waffe bei sich. Als der autistische Mann, Iyad Halaq, auf die Aufforderung der Polizisten, stehen zu bleiben, nicht reagierte, hätten sie ihn verfolgt und gefeuert. Es stellte sich heraus, dass er unbewaffnet war.
Einer der beiden an der Verfolgungsjagd beteiligten Beamten habe auch dann noch weiter auf Halaq geschossen, als der andere ihn angewiesen habe, damit aufzuhören, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) in Berufung auf den israelischen Armeesender. Die Polizei wolle auch klären, ob der Palästinenser bei der Verfolgungsjagd oder in seinem Versteck erschossen wurde.
Nach Obduktionsbefund wies Halaq zwei Schüsse in der Brust auf. Laut Angaben von israelischen Medien wurden sieben Kugeln auf den Palästinenser abgefeuert.
Zwei der beteiligten Polizisten wurden am Samstag befragt. Derjenige, der geschossen hat, wurde laut SZ unter Hausarrest gestellt.
„Er wusste nicht einmal, was ein Polizist ist“
Der Vater des Opfers vermutet, dass sein autistischer Sohn mit seinem Handy telefoniert und die Aufforderungen der Polizisten nicht verstanden habe. In einem Interview mit dem TV-Sender Channel 13 erklärte der Vater außerdem, dass nach dem Vorfall die Wohnung der Familie durchsucht worden sei, obwohl es keinen Hinweis auf Waffen bei seinem Sohn gegeben habe, berichtet die SZ weiterhin.
Laut seinem Cousin und Doktor, Hatem Awiwi, war Halaqs Autismus hochgradig, sodass ihm die Kommunikation mit Menschen sehr schwer fiel. „Er wusste nicht einmal, was ein Polizist ist“, zitiert ihn BCC in Berufung auf die linke israelische Zeitung „Haaretz“. „Er hat einen Fremden gesehen, ist geflohen und wurde erschossen.“
Hunderte Palästinenser haben an dem Totengebet und am Trauerzug des palästinensischen Mannes teilgenommen.
Israelischer Verteidigungsminister: „Es tut uns leid“
Der israelische Verteidigungsminister Benny Gantz äußerte sich bei einer Kabinettversammlung am Samstag zur Tötung des Palästinensers. „Der Vorfall, bei dem Iyad Halaq angeschossen wurde, tut uns leid. Natürlich trauern wir mit der Familie. Ich bin sicher, dass dieser Sachverhalt bald ermittelt wird und daraus Folgen gezogen werden“, sagte er. Israelische Sicherheitskräfte würden „jede Bemühung auf sich nehmen, um nur in notwendigen Situationen Gewalt einzusetzen“, fügte er hinzu.
Die Spannungen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften nahmen in den vergangenen Wochen zu, nachdem Premierminister Benjamin Netanjahu angekündigt hatte, einen Annexionsplan für Teile des besetzten Westjordanlands durchsetzen zu wollen.
Der Generalsekretär der palästinensischen PLO, Saab Erekat, kritisierte: „Es ist ein Verbrechen, das ungestraft bleiben wird, bis die Welt damit aufhört, Israel als einen Staat über dem Gesetz zu betrachten.“ Es gebe Parallelen zwischen der Tötung von Iyad Halaq und der von George Floyd, die weltweit große Proteste auslöste.
Mehrere Palästinenser und Israelis protestierten laut BBC am Wochenende in Jerusalem, Tel Aviv und Jaffa gegen die Tötung von Iyad Halaq durch die israelische Polizei. Einige trugen Transparente mit den Aufschriften „Justice for Iyad“ („Gerechtichkeit für Iyad“) und „Palestinian lives matter“ („Palästinensische Leben zählen“).