Die UN-Sonderberichterstatterin für die palästinensische Enklave, Francesca Albanese, hat Israel Verstöße gegen das Völkerrecht bei seinem Krieg im Gazastreifen vorgeworfen. „Israel hat eine Reihe von Dingen getan, die höchst illegal, höchst rechtswidrig sind“, sagte die italienische Juristin am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Madrid.
Israel habe zwar das Recht auf Selbstverteidigung, müsse sich aber an das humanitäre Völkerrecht halten, „um Menschen zu schützen, die nicht aktiv an Kämpfen beteiligt sind“, so Albanese. Das seien „Zivilisten, Kriegsgefangene und die Kranken und Verwundeten.“
So müsse zwischen Kämpfern und der Zivilbevölkerung unterschieden werden, sagte Albanese weiter. „Stattdessen hat es mehr als 100 Tage unerbittlicher Bombardierungen gegeben.“ In den ersten beiden Kriegswochen seien 6000 Bomben pro Woche eingesetzt worden, und das in dicht besiedelten Gebieten.
Außerdem seien zahlreiche Krankenhäuser in dem palästinensischen Gebiet „geschlossen, bombardiert oder von der Armee eingenommen“ worden, sagte die UN-Sonderberichterstatterin weiter. Menschen würden sterben, weil es keine ausreichende medizinische Versorgung gebe. Israel verhindert den Zugang zu dringend benötigten Medikamenten und Behandlungen.
Als „schockierend“ bezeichnete Albanese die Zahl der palästinensischen Kinder, denen Gliedmaßen amputiert werden mussten. In den ersten beiden Kriegsmonaten seien an tausend Kindern ohne Betäubung Amputationen vorgenommen worden. „Das ist eine Monstrosität.“
Mexiko und Chile riefen am Donnerstag den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag auf, zu Kriegsverbrechen im Gazakrieg zu ermitteln. Mit ihrem gemeinsamen Antrag wollen die beiden lateinamerikanischen Länder bereits 2021 eingeleitete Ermittlungen des IStGH zu Kriegsverbrechen in Palästina voranbringen. IStGH-Chefankläger Karim Khan hatte bereits im November gesagt, dass die Ermittlungen auch die Angriffe seit dem 7. Oktober umfassen.
Vor dem ebenfalls in Den Haag angesiedelten Internationalen Gerichtshof (IGH) hat Südafrika Israel des Völkermords an den Palästinensern beschuldigt. Israel hat die Vorwürfe zurückgewiesen.
Derweil wurden in der Schweiz nach Angaben der Nachrichtenagentur Keystone-SDA Anzeigen gegen den israelischen Präsidenten Isaac Herzog erstattet. Die Strafanzeigen kamen demnach von einer Gruppe namens Legal Action Against Crimes Against Humanity. Herzog nahm am Donnerstag am Weltwirtschaftsforum im Schweizer Ort Davos statt.
Humanitäre Krise in Gaza
Israel nahm den Vergeltungsschlag der palästinensischen Widerstandsorganisation Hamas am 7. Oktober als Vorwand, um einen Vernichtungskrieg gegen die Menschen in Gaza zu starten. Ultrarechte Politiker der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zitieren als Rechtfertigung immer wieder Verse aus dem Alten Testament. Erklärtes Ziel der israelischen Angriffe ist die Zerschlagung der Hamas, doch es wurden bislang Zehntausende Zivilisten getötet.
Israel hatte zuletzt die Versorgung des Gazastreifens mit Wasser, Lebensmitteln, Treibstoff und Strom gestoppt und zugleich massive Luftangriffe gestartet. Anschließend drangen Bodentruppen in den dicht besiedelten Küstenstreifen ein. Humanitäre Hilfslieferungen werden von Israel behindert. Mehr als eine Million Menschen wurden gezwungen, in den Süden zu flüchten. UN-Organisationen bezeichnen die humanitäre Lage vor Ort als katastrophal.