Von Edibe Beyza Çağlar
Im Januar nahm Steve Sosebee, mit einer Keffiyeh um die Schultern, den Lifetime Achievement Award von TRT entgegen. Die Auszeichnung würdigte sein jahrzehntelanges humanitäres Engagement für Palästina. „Ihr seid nicht allein“, sagte er in seiner Dankesrede - es war eine Botschaft an das palästinensische Volk, das unter der anhaltenden Unterdrückung durch Israel leidet. Nun spricht der Journalist und Aktivist mit TRT über sein Engagement für palästinensische Kinder.
Seit Jahrzehnten setzt sich Sosebee für Kinder in den palästinensischen Gebieten ein und stellt damit Stereotypen infrage. Gemeinsam mit seiner mittlerweile verstorbenen Frau Huda Al Masri gründete er 1991 die Hilfsorganisation „Palestine Children's Relief Fund“ (PCRF), um medizinische Versorgung und humanitäre Hilfe für Palästinenser bereitzustellen. 2024 gründete er „HEAL Palestine“, eine Organisation, die sich auf vier zentrale Bereiche konzentriert: Gesundheit, Bildung, Hilfe und Führung. Seine Arbeit hat es mehr als 2000 palästinensischen Kindern ermöglicht, lebensrettende medizinische Behandlungen im Ausland zu erhalten.
„Es musste wohl ein Genozid geschehen, damit die Menschen aufwachen“, sagte er im Gespräch mit TRT World und sprach über seine Mission in der NGO-Arbeit, über die Notwendigkeit globalen Handelns und den unermüdlichen Einsatz für die palästinensische Sache. HEAL Palestine bietet psychologische Unterstützung, betreibt ein Feldkrankenhaus im Gazastreifen, finanziert Schulen und Patenschaften für Schüler, versorgt Zehntausende mit Lebensmitteln und stellt dringend benötigte medizinische Hilfsgüter bereit, insbesondere im Norden Gazas. TRT World sprach mit Steve Sosebee über seine Motivation und seine Arbeit.
TRT World: Wie kam es zur Gründung Ihrer Hilfsorganisation für palästinensische Kinder?
Steve Sosebee: Ich besuchte Palästina zum ersten Mal 1988 während der Ersten Intifada. Als Journalistik-Student reiste ich durch das [besetzte] Westjordanland und den Gazastreifen. Ich lernte Familien kennen, sah ihre Lebensrealität und verliebte mich in ihre Kultur und ihren Widerstand. Diese Reise veränderte mein Leben.
Zunächst arbeitete ich als Journalist, um Amerikaner über die kaum bekannten Realitäten der Besatzung aufzuklären. Doch alles veränderte sich, als ich medizinische Hilfe für ein Geschwisterpaar organisierte, das bei einem Bombenangriff im Westjordanland schwer verletzt wurde. Ich brachte sie nach Ohio zur Behandlung. Die Welle der Solidarität, die ich dort erlebte, zeigte mir, wie mächtig humanitäre Hilfe sein kann.
Diese Kinder waren nicht länger gesichtslose Opfer. Sie wurden sichtbar, menschlich, greifbar. Ihre Geschichten veränderten die Wahrnehmung vieler Menschen. Zum ersten Mal sahen viele Amerikaner palästinensische Kinder als das, was sie sind: lachende, lebendige, atmende Menschen. Nicht die entmenschlichte Darstellung, die oft dazu dient, Gewalt zu rechtfertigen.
TRT World: Wie bewerten Sie die Darstellung Palästinas in westlichen Medien?
Steve Sosebee: Die Entmenschlichung der Palästinenser ist systematisch. Gewalt gegen die Kinder von Gaza ist nur möglich, wenn die Welt sie nicht als Menschen wahrnimmt. Die Medien haben dabei eine entscheidende Rolle gespielt.
Die Berichterstattung ist bis heute voreingenommen. Die gleichen Ereignisse werden unterschiedlich dargestellt, je nachdem, ob es sich um Israelis oder um Palästinenser handelt. Mainstream-Medien wie die New York Times oder CNN filtern Fakten heraus und präsentieren eine narrative Verzerrung.
Social Media hat die Medienlandschaft verändert. Plattformen wie TRT World, unabhängige Journalisten und Bürgerreporter zeigen die unverfälschte Wahrheit. Genau deswegen werden palästinensische Journalisten gezielt ins Visier genommen. Sie sind, neben Ärzten, Krankenschwestern und Ersthelfern, die wahren Helden dieser Krise.
TRT World: Gibt es ein Kind, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Steve Sosebee: Es gibt viele, aber eine Geschichte blieb mir besonders im Gedächtnis. 1991 wurde ein 11-jähriger Junge aus Gaza bei einem israelischen Luftangriff schwer verletzt. Er verlor beide Beine und einen Arm. Ich organisierte seine Behandlung in Los Angeles, wo er lernte, mit Prothesen zu laufen. Er ging zur Schule, erhielt eine Auszeichnung von US-Präsident Bill Clinton und baute sich später eine eigene Familie auf. Doch seit sechs Monaten habe ich nichts mehr von ihm gehört. Ich weiß nicht, ob er noch lebt. Diese Ungewissheit ist schmerzhaft.
TRT World: Wie halten Sie ihre Motivation aufrecht, obwohl Sie Zeuge von so viel Leid werden?
Steve Sosebee: Es ist schwierig. Gaza ist seit 1988 Teil meines Lebens. Jetzt ist es fast völlig zerstört. Ich habe Freunde, Kollegen und Kinder verloren, die ich betreut habe. Aber ich mache weiter, weil wir helfen können.
HEAL Palestine ermöglicht derzeit die Behandlung von 30 verletzten Kindern in den USA. Unser Feldkrankenhaus in Gaza hat Tausende versorgt. Wir haben Schulen und Suppenküchen eröffnet, Tausende haben diese genutzt.
Das alles ist schmerzhaft, aber es gibt Hoffnung. Ich habe Kinder gesehen, die trotz schwerer Verletzungen ein neues Leben begonnen haben, Familien gegründet haben und der Gemeinschaft etwas zurückgeben. Das gibt mir die Kraft weiterzumachen.
TRT World: Sie sagten bei der TRT-Preisverleihung „Wir sind nicht für Auszeichnungen hier, sondern für eine Sache“. Was genau meinten Sie damit?
Steve Sosebee: Ich fühle mich geehrt, aber diese Arbeit macht man nicht für Anerkennung. Hilfe in Zeiten eines Genozids ist eine menschliche Pflicht.
Ich wurde in Freiheit geboren. Ich musste nie um meine Rechte kämpfen. Aber das bedeutet, dass ich die Pflicht habe, für die einzutreten, die unterdrückt werden – ob nun für Palästinenser oder marginalisierte Gruppen in meinem eigenen Land.
Emotionen wie Wut und Trauer sind nicht genug. Palästinenser brauchen keine Mitleidsbekundungen, sie brauchen Taten. Deshalb habe ich HEAL Palestine gegründet. Ich glaube, dass wir etwas bewirken können, wenn wir uns dafür entscheiden.
Das Interview erschien auf TRT World und wurde aus dem Englischen übersetzt.