Seit Anfang des Monats strahlt der somalische öffentlich-rechtliche Sender „Radio Mogadischu“ ein italienischsprachiges Programm aus. Somalier im In- und Ausland reagieren verärgert. Abduwali Garad, Doktorand und Lehrbeauftragter an der britischen Universität Birmingham, erklärte am Freitag gegenüber der Nachrichtenagentur Anadolu, dass dies Ausdruck eines Versuchs der ehemaligen Kolonialmacht Italien sei, das Land erneut unter seinen Einfluss zu bringen.
Auch Bestechungsgelder sollen geflossen sein
Italien konkurriere immer noch mit den ehemaligen europäischen Kolonialmächten sowie mit den USA, China und Indien um neue Märkte und Ressourcen in Afrika. Programme wie das neu geschaffene auf Radio Mogadischu kündeten davon, dass auch Rom versuche, seinen Einfluss in Somalia wiederzubeleben, erklärte Garad.
Im Rahmen dieser Bemühungen sei Italien auch an die Nationale Universität Somalias herangetreten. Die italienische Regierung habe einige Stipendien angeboten und versucht, den akademischen Lehrplan zu beeinflussen. Auch versuche Rom, die Verwaltung des Demartini-Krankenhauses in Mogadischu zu übernehmen, das während der Kolonialzeit von den Italienern gebaut und kontrolliert wurde.
Es sei auch erwähnenswert, dass die Italiener mit einigen somalischen Politikern verhandeln würden. Dabei flossen auch Bestechungsgelder, insbesondere während der Parlamentswahlen, kritisiert Garad die Italiener scharf.
Italienisch erwecke „Erinnerungen an dunkle Zeiten“
Salah Sheik Osman, Somalias ehemaliger Minister für öffentliche Arbeiten und Wiederaufbau und derzeitiger Vorsitzender der Partei für Gerechtigkeit und Einheit (TIIR), schloss sich der Kritik Garads an. Die italienischen Bemühungen, ihre Sprache in Somalia wieder großflächig zu verbreiten, sind laut dem Politiker jedoch ein Kampf gegen Windmühlen.
Lediglich die Somalier über 60 oder 65 könnten die Sprache verstehen. Es stelle sich die Frage, wofür Somalier die italienische Sprache brauchten. Deren Gebrauch sei seit über 30 Jahren rückläufig. „Über 75 Prozent unserer Bevölkerung ist jung und verstehen kein Italienisch - und wollen auch nicht, dass die italienische Kolonialsprache zurückkehrt“, so Osman.
Die italienische Sprache erwecke bei den Somaliern Erinnerungen an eine dunkle Zeit in ihrer Geschichte. Nachdem Italien das Land gewaltsam übernommen und brutal kolonisiert hatte, habe es als Erstes das traditionelle Regierungssystem Somalias zerschlagen. Anschließend seien die blühende Wirtschaft Somalias und die somalischen Königreiche und Stadtstaaten Opfer der Kolonialherrschaft geworden. Damit habe Italien dem Land schweren Schaden zugefügt.
Zudem sei Rom für die Ermordung tausender Somalier während der Kolonialzeit verantwortlich. „Tausende von Menschen, die gezwungen waren, für die Italiener zu arbeiten, starben an Krankheiten, harter Arbeit, fehlenden Nahrungsmitteln und Medikamenten sowie an Gewalt“, erklärt der TIIR-Politiker.
Türkisch beliebte Fremdsprache in Somalia
Osman glaubt, dass die einzige Fremdsprache, die derzeit in Somalia floriere, die türkische Sprache sei. „Wenn die Regierung in einer Fremdsprache ausstrahlen will, sollte sie Sendungen auf Türkisch im nationalen Radio ausstrahlen, denn die jungen Leute interessieren sich jetzt für Türkisch, und viele Menschen können jetzt Türkisch sprechen“, erklärte er.
Zudem erinnerte der Politiker an die traditionell guten somalisch-türkischen Beziehungen. Die Türken hätten die Bevölkerung im heutigen Somalia gut behandelt und hätten den Somaliern stets gegen europäische Kolonialbestrebungen geholfen, wie gegen jene der Portugiesen und zuletzt der Italiener.
Diese positiven bilateralen Beziehungen wirkten bis heute fort. Junge somalische Akademiker sowie Tausende von Angehörigen der somalischen Nationalarmee seien in der Türkei ausgebildet worden und verfügten deshalb über Türkischkenntnisse.