Angesichts der Intensivierung der Kämpfe in der nordwestsyrischen Provinz Idlib, die von der Opposition gehalten wird, soll am Samstag eine russische Delegation in die Türkei reisen. Das kündigte am Freitag der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoglu an.
Zur Zusammensetzung der Gruppe gab es zunächst weder aus Ankara noch aus Moskau weitere Informationen. Wenn es nötig werde, könnten sich danach auch das russische Staatsoberhaupt Wladimir Putin und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan treffen - darauf hätten sich die beiden schon geeinigt, fügte Çavuşoglu hinzu.
Russland betrachtet sich als Schutzmacht des syrischen Regimes unter Diktator Baschar al-Assad, der in Idlib brutal gegen die syrische Opposition vorgeht. Das von der Opposition gehaltene Gebiet grenzt an die Türkei, die dort auch Militärposten unterhält. Syrische und russische Angriffe haben jüngst Hunderttausende von Menschen in die Flucht getrieben - auch in Richtung türkische Grenze. Das hatte bei der Türkei, die bereits Millionen Flüchtlinge beherbergt, Besorgnis ausgelöst. Sie fordert vehement die Einhaltung einer vereinbarten Waffenruhe und dass Russland das syrische Regime bei seinen Übergriffen stoppt.
Idlib ist nach fast neun Jahren Bürgerkrieg in Syrien das letzte große von der Opposition gehaltene Gebiet. Ankara hatte sich mit Russland auf eine Sicherheitszone für Idlib geeinigt und zwölf eigene Beobachtungsposten errichtet. In dieser Zone sind militärische Aggressionen ausdrücklich verboten. In der Region leben über drei Millionen Menschen.
600 Tausend Menschen in Idlib auf der Flucht
Die Vereinten Nationen haben derweil ihre Rufe nach einem neuen Anlauf für eine Waffenruhe bekräftigt. Bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates am Donnerstag zeichneten der UN-Vermittler für Syrien, Geir Pedersen, und UN-Nothilfekoordinator Mark Lowcock ein düsteres Bild. In den vergangenen zwei Monaten seien knapp 600 Tausend Menschen in der Region auf der Flucht gewesen, die meisten seien Kinder. Die nicht von syrischen Truppen beherrschten Gebiete seien zunehmend überfüllt.
Allein am Donnerstag waren bei russischen Luftangriffen auf die Stadt Idlib nach Angaben von Menschenrechtsbeobachtern mindestens zehn Zivilisten getötet worden. Zuvor seien sieben Zivilisten durch Artilleriefeuer des Regimes bei Aleppo umgekommen, hieß es. Die syrischen Truppen rückten weiter in das Oppositionsgebiet vor, unter anderem in die Stadt Sarakib südöstlich der Stadt Idlib, was den Konflikt mit der Türkei verschärft.
Präsident Erdoğan hatte Damaskus Mitte der Woche vor einer Eskalation gewarnt. Am Montag wurden in Idlib unter Regime-Beschuss nach offiziellen Angaben sieben türkische Soldaten und ein ziviler Mitarbeiter des Militärs getötet. Die Türkei hatte daraufhin bei einem Vergeltungsangriff mehrere Loyalisten des syrischen Diktators getötet. Der türkische Präsident unterstrich, dass jeder Angriff in Zukunft „ohne eine Warnung auf die gleiche Weise beantwortet“ werde. Die Türkei stellte zudem Damaskus ein Ultimatum: Sollte sich die Regimetruppen nicht noch im Februar von den türkischen Beobachtungsposten in der Region zurückziehen, werde die Türkei gezwungen sein, die Sache „selbst in die Hand zu nehmen“.
Der russische Außenminister wiederum zeigte sich uneinsichtig und verteidigte das Vorgehen der syrischen Regimetruppen. „Alles, was getan wird, um die Terroristen zurückzudrängen, ist im rechtlichen Rahmen, weil sich keine der Vereinbarungen zur Waffenruhe und zum Ende der Kampfhandlungen auf die Terroristen beziehen“, behauptete Sergej Lawrow der Agentur Interfax zufolge bei einem Besuch in Mexiko.
Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete am Freitag, dass das Militär Beobachtungsposten in Idlib aufgerüstet habe. Ein Konvoi habe Panzer und schwere Geschütze geliefert. Von den zwölf Posten in Idlib lägen drei schon hinter den Linien der syrischen Truppen, berichtete Anadolu unter Berufung auf Sicherheitskreise.
Außerdem entsandten türkische Streitkräfte einen fast 150 Fahrzeuge starken Konvoi nach Idlib. Spezialisierte Kommandoeinheiten wurden zur Verstärkung in die militärischen Beobachtungsposten verlegt. Die Stadt Sarakib in der Nähe der türkischen Grenze ist seit Tagen das Zentrum intensiver Kämpfe.