Wahlkampf in den USA / Photo: DPA (dpa)
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Es ist der Auftakt in einen historischen Wahltag: In den USA haben die ersten Wahllokale geöffnet. Dabei stimmen die Amerikaner nicht nur ab, ob die Demokratin Kamala Harris oder der Republikaner Donald Trump ins Weiße Haus einzieht. Die Wahlnacht vom 5. auf den 6. November könnte die Weltpolitik noch mehr als bisher aus dem Gleichgewicht bringen.

Denn auf dem Spiel steht nicht nur die innenpolitische Stabilität der USA, sondern auch ihre zukünftige Rolle in internationalen Bündnissen und die transatlantische Zusammenarbeit. Die Verflechtungen Deutschlands und Europas mit den Vereinigten Staaten sind im wirtschaftlichen Bereich riesig und haben im Verteidigungsbereich sogar existenzielle Dimensionen.

Erste Ergebnisse: Gleichstand in Dixville Notch

Bereits um Mitternacht (Ortszeit) fiel die erste Entscheidung: Das kleine Dörfchen Dixville Notch im Bundesstaat New Hampshire verkündete ein Unentschieden. Auf einer handbeschriebenen Tafel wurden je drei Stimmen für Harris und Trump bekanntgegeben. Die Wahlbeteiligung betrug 100 Prozent.

Das Wahllokal in Dixville Notch öffnet seit 1960 am Wahltag bereits um Mitternacht. Da es in dem Skiort nahe der Grenze zu Kanada nur sechs registrierte Wähler gibt, sind Stimmabgabe und Auszählung schnell abgewickelt. Bei der Wahl 2020 hatte hier US-Präsident Joe Biden ohne Gegenstimme gegen Trump gewonnen.

Auch wenn die Resultate in dem kleinen Skiort längst nicht immer spiegelten, wer am Ende Präsident wurde, könnte man das Ergebnis als Sinnbild für das enge politische Rennen in dem gespaltenen Land sehen. Nach Angaben von US-Medien waren die Umfragen selten so eng wie diesmal - und der Wahlausgang ist völlig unberechenbar.

Schlangen an ersten Wahllokalen

Am Morgen (Ortszeit) machten die Wahllokale in größeren Städten und Kommunen im Osten des Landes auf. Um 7.00 Uhr (13.00 Uhr MEZ) öffneten sie zum Beispiel in Washington DC, bereits eine Stunde früher in New York. Auch in den meisten „Swing States“, die besonders umkämpft sind und die Wahl entscheiden könnten, dürfen die Wähler bereits an die Wahlurnen - so in North Carolina, Georgia, Pennsylvania, Wisconsin, Michigan und auch in Arizona im Westen des Landes. An einigen Wahllokalen bildeten sich sofort längere Schlangen.

Weil sich die USA über mehrere Zeitzonen erstrecken, zieht sich die Öffnung der Wahllokale über mehrere Stunden. Im Westküstenstaat Kalifornien kann man von 7.00 Uhr Ortszeit (16.00 Uhr MEZ) an die Stimme abgeben. Hawaii und Alaska sind die Schlusslichter: Hier können die Wähler bis um 6.00 Uhr MEZ am Mittwoch abstimmen, auf den Aleuten - einer Inselgruppe im Nordpazifik - noch eine Stunde länger.

Fast 83 Millionen stimmten vorzeitig ab

Viele Wähler haben allerdings auch schon gewählt. Fast 83 Millionen US-Bürger stimmten allein bis mittags vor dem Wahltag per Brief oder in vorab geöffneten Wahllokalen ab, wie das „Election Lab“ der Universität Florida berichtete. Das entspricht mehr als der Hälfte der 2020 bei der Präsidentenwahl insgesamt abgegebenen Stimmen.

Wählerinnen und Wähler geben am Wahltag im Obersten Gerichtshof von Bronx County in New York ihre Stimmzettel ab (DPA)

Große Shows zum Wahlkampfabschluss

An alle anderen richteten sich Harris und Trump in der Nacht vor der Wahl mit großen Schlusskundgebungen. Harris gab sich in einer minuziös durchgeplanten und mit Stars besetzten Veranstaltung in Philadelphia im „Swing State“ Pennsylvania siegessicher. Vor den Stufen des Philadelphia Museum of Art, der Kulisse aus dem Kultfilm „Rocky“, sagte die 60-Jährige: „Heute Abend beenden wir es so, wie wir es begonnen haben, mit Optimismus, mit Energie und mit Freude.“ Trumps Namen erwähnte sie nicht - ihre Rede dauerte nicht mal eine halbe Stunde.

Nur wenig später setzte Trump zu einem länglichen, wütenden Monolog mit Angriffen auf seine politischen Gegner vor einer aufgepeitschten Menge in Grand Rapids im „Swing State“ Michigan an. Über Harris sagte der 78-Jährige: „Sie hat einen sehr niedrigen IQ, und wir brauchen keine Person mit niedrigem IQ. Das haben wir seit vier Jahren. Und unser Land geht den Bach runter.“

Den Wünschen seiner Berater, sich mehr an seine Redemanuskripte zu halten, folgte Trump nicht. Harris sei „eine linksradikale Verrückte“, schimpfte er. Trumps Kandidat für das Amt des US-Vizepräsidenten, JD Vance, beleidigte Harris mit drastischen Worten: „Wir werden den Müll in Washington D.C. rausbringen, und der Müll heißt Kamala Harris“, sagte er.

Angst vor Gewalt

Es ist kein Zufall, dass Harris und Trump ihre finalen Kundgebungen in Pennsylvania und Michigan abhielten. Pennsylvania gilt als potenziell wahlentscheidend - hier gibt es 19 Stimmen von Wahlleuten zu holen, mehr als in jedem anderen „Swing State“. Da in den weitaus meisten Bundesstaaten absehbar ist, welche Partei sich dort den Sieg sichern wird, konzentrierten sich Demokraten und Republikaner im Wahlkampf vor allem auf sieben Schlüsselstaaten mit noch offenem Ausgang.

Der Wahltag wird allerdings nicht nur mit Spannung, sondern auch mit Sorge vor Ausschreitungen oder Gewalt erwartet. In der Hauptstadt verbarrikadierten einige Geschäftsleute im Zentrum ihre Schaufenster mit Holzplatten.

Trump säte einmal mehr Zweifel an der Integrität der Wahl und warf den Demokraten Betrug vor. Seine Wahlniederlage 2020 gegen Joe Biden hat er nie eingeräumt. Auch in diesem Jahr scheint er ein ähnliches Narrativ vorzubereiten und behauptet, nur Betrug könne ihn um den Sieg bringen.

Ergebnis möglicherweise erst nach Tagen

Trump schürt auch falsche Erwartungen an die Auszählung der Stimmen. „Wir wollen die Antwort heute Nacht“, sagte der 78-Jährige beim Wahlkampfabschluss. Das gilt jedoch als unwahrscheinlich. Besonders die Briefwahlstimmen verzögern den Auszählungsprozess. Die ersten größeren Wahllokale an der Ostküste der USA schließen um Mitternacht deutscher Zeit. Anders als in Deutschland gibt es dann auch keine Prognose zum Wahlsieger.

2020 wurde Biden erst am Samstag zum Sieger erklärt, also an Tag vier nach dem Wahldatum. Von Trumps Sieg 2016 hatten viele US-Amerikaner dagegen schon beim Aufstehen am Morgen nach der Wahl erfahren.

Die magische Zahl 270

Der US-Präsident wird indirekt vom Volk gewählt. Die Stimmen der Wählerinnen und Wähler entscheiden über die Zusammensetzung des Wahlkollegiums, das den Präsidenten im Dezember stellvertretend für sie wählt. Jeder Bundesstaat hat eine bestimmte Stimmenanzahl, die sich in etwa nach der Einwohnerzahl richtet.

Bei der Wahl gilt in fast allen Bundesstaaten das Prinzip „the winner takes it all“: Der Kandidat, der dort gewinnt, erhält die Stimmen aller Wahlleute des Bundesstaats. Für den Einzug ins Weiße Haus braucht ein Kandidat letztlich also nicht die meisten Stimmen des Volkes („popular vote“), sondern die Mehrheit der 538 Wahlleute („electoral vote“)- also mindestens 270.

dpa