Die Nato-Staaten haben sich angesichts der Bedrohungen durch Russland auf eine Verschärfung des gemeinsamen Ziels für die nationalen Verteidigungsausgaben verständigt. Die 31 Bündnismitglieder wollen künftig mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung ausgeben. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Freitagabend aus Bündniskreisen nach Abschluss eines schriftlichen Beschlussverfahrens in Vorbereitung aufden Nato-Gipfel kommende Woche.
Das bisherige Ziel sah lediglich vor, dass sich alle Bündnisstaaten bis 2024 dem Richtwert annähern, mindestens zwei Prozent ihres BIP für Verteidigung auszugeben. Es war 2014 bei einem Gipfeltreffen in Wales verabschiedet worden.
Das neue Zwei-Prozent-Ziel soll nun in die Erklärung des Nato-Gipfels aufgenommen werden, der am Dienstag in der litauischen Hauptstadt Vilnius beginnt. Bei dem Spitzentreffen wird es zudem auch um die Stärkung der Abschreckung gegen Russland und die weitere Unterstützung der Ukraine gehen.
Für Deutschland und knapp 20 andere Nato-Staaten bedeutet das neue Ziel, dass sie ihre Verteidigungsausgaben in den kommenden Jahren erheblich erhöhen müssen. Die Bundesrepublik steigerte ihre für die Nato relevanten Ausgaben zuletzt zwar um zehn Prozent auf rund 64 Milliarden Euro. Die Zielmarke des Bündnisses wird bislang allerdings dennoch weit verfehlt. So schätzt die Nato nach aktuellen Vergleichszahlen, dass Deutschland in diesem Jahr auf eine Quote von 1,57 Prozent kommen wird.
Mit Hilfe eines im Vorjahr beschlossenen Sondervermögens für Verteidigung in Höhe von 100 Milliarden Euro soll die Zwei-Prozent-Quote nun 2024 erreicht werden. Unklar ist allerdings, wie es weitergehen soll, wenn das Sondervermögen aufgebraucht ist. Nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) könnte der Anteil am BIP bereits 2026 wieder auf unter zwei Prozent zurückfallen.
Spitzenreiter im Verhältnis von Wirtschaftskraft und Verteidigungsausgaben waren innerhalb der Nato zuletzt die USA. Sie kommen nach am Freitag veröffentlichten Schätzungen derzeit auf eine Quote von 3,49 Prozent. Mit 860 Milliarden US-Dollar (791 Mrd Euro) plante Washington zuletzt mehr als doppelt so viel Geld für Verteidigung ein wie alle anderen Bündnisstaaten zusammen.
Neben den USA werden 2023 nach den jüngsten Nato-Schätzungen nur Großbritannien, Finnland, Griechenland, Ungarn, Polen, Litauen, Estland, Lettland, Rumänien und die Slowakei das Zwei-Prozent-Ziel erreichen.
Bundesregierung wollte Vorgaben vage halten
Die Bundesregierung hatte in der Diskussion um das neue Ziel lange versucht, die Vorgaben so vage wie möglich zu halten. Dabei wurde argumentiert, dass die BIP-Quote nur wenig über die Leistungsfähigkeit von Streitkräften aussage und Nato-Ziele etwa für militärische Fähigkeiten und ihre Einhaltung deutlich wichtiger und aussagekräftiger seien. Um das Argument zu untermauern wird genannt, dass die Quote nicht fällt, wenn ein Land bei einem Rückgang der Wirtschaftsleistung seine Verteidigungsausgaben entsprechend reduziert.
Zuletzt stimmte die Bundesregierung dann aber zumindest zu, die zwei Prozent als Minimum-Ziel festzulegen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte zuletzt auch öffentlich immer wieder, dass Deutschland seine Verteidigungsausgaben dauerhaft auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anheben werde.
Vor allem die baltischen Länder und Polen hatten sich in der Diskussion über das neue Ziel für eine deutlich anspruchsvollere Selbstverpflichtung ausgesprochen. So forderte der der estnische Minister Hanno Pevkur zuletzt eine Zielvorgabe von 2,5 Prozent.
Besonders hart war der Streit über die Verteidigungsausgaben in der Nato während der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump geführt worden. Dieser hatte europäischen Alliierten wie Deutschland wegen ihrer vergleichsweise niedrigen Ausgaben eine Trittbrettfahrer-Einstellung vorgeworfen und zeitweise sogar mit einem Austritt der USA aus dem Bündnis gedroht.
Trump dürfte auch das neue Zwei-Prozent-Ziel als unzureichend bewerten. Nach Angaben von Diplomaten verpflichten sich die Staaten mit bislang noch niedrigen Quoten nämlich nicht, bereits ab dem kommenden Jahr mindestens zwei Prozent des BIP für Verteidigung auszugeben. So dürfte bei Ländern wie Kanada, Spanien, Luxemburg oder Belgien das Erreichen der Zielmarke noch etliche Jahre dauern.