Der Klimawandel stellt den Kaffeesektor weltweit vor große Probleme und könnte eines der Lieblingsgetränke der Deutschen zum Luxusgut werden lassen. „Es gibt Studien, die vorhersagen, dass bis 2050 die momentan für den Kaffeeanbau geeignete Fläche um die Hälfte schrumpfen wird“, sagt Sophie von Loeben vom Potsdam Institut für Klimawandelforschung (PiK). Dies betreffe vor allem Länder wie Vietnam und Brasilien, die die größten Produzenten weltweit sind.
3,4 Tassen Kaffee pro Tag nehmen erwachsene Kaffeetrinker in Deutschland laut dem Kaffeereport 2023 des Kaffeehändlers Tchibo zu sich. Das Unternehmen hat für die repräsentative Umfrage in Zusammenarbeit mit dem Statistikanbieter Statista und der Zeitschrift „Brand Eins“ nach eigenen Angaben im Januar dieses Jahres 1500 Kaffeetrinker zwischen 18 und 75 Jahren befragt.
Klimawandel bereitet Kaffeeindustrie Sorgen
Die Branche trifft sich Ende September (30.9. bis 3.10.) in Mannheim zur International Coffee Convention (ICC). Hier wollen sich Bauern, Röster, Händler und Forscher über eine Antwort auf diese tiefgreifenden Veränderungen austauschen. „Wir wollen Wissenschaft für die Kaffeeindustrie schaffen“, sagte Steffen Schwarz vom ICC bei einer Pressekonferenz vor der Messe. Die großen Themen seien neben dem Klimawandel auch das veränderte Verbraucherverhalten, die Modernisierung und Digitalisierung des oft kleinteiligen Kaffeeanbaus sowie das Thema Nachhaltigkeit.
Von Loeben sieht die Ursache für die Herausforderungen in der Kaffeepflanze selbst. „Die ist ein totales Sensibelchen, sie mag es einfach nicht zu heiß, nicht zu trocken und nicht zu nass. Sie braucht ganz bestimmte Schattenverhältnisse und einen nährstoffreichen Boden.“ Schon leichte Veränderungen haben ihren Worten nach direkten Einfluss auf Ertrag und Qualität der Kaffeebohnen.
Als Beispiel zieht sie den Arabica-Kaffee heran, der rund 60 Prozent des Weltmarktes ausmache. Dieser habe seine ideale Wachstumstemperatur zwischen 18 und 22 Grad. „Höhere Temperaturen stressen die Pflanze extrem und können diese schädigen.“ Die Folge könne sein, dass die Kaffeefrucht schneller reift, als die Bohne darin sich entwickeln kann.
„Kaffee ist ein sehr sensibles Produkt“
Holger Preibisch, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Kaffeeverbands in Hamburg, bestätigt das: „Kaffee ist ein sehr sensibles Produkt, Kaffee wächst nur in ganz bestimmten Regionen auf der Welt, dem sogenannten Kaffeegürtel rund um den Äquator.“ Um die Anbaugebiete abzusichern, setzten die Bauern auf Mischkulturen, bei denen Kaffeebäume gemeinsam mit anderen Pflanzen angebaut werden. Dies biete einen besseren Wind- und Sonnenschutz. Ein weiterer Ansatz seien neue widerstandsfähigere Züchtungen.
Von Loeben hat ihren Forschungsschwerpunkt im Bereich der Züchtungen. Sie sagt: „Kaffee, obwohl es eine der wertvollsten Nutzpflanzen der Welt ist, ist auch eine der unerforschtesten.“ Der Großteil des Kaffeekonsums basiere auf nur zwei Arten, Arabica und Robusta. Dabei gebe es der Forscherin zufolge „in der Natur rund 130 uns bekannte wilde Kaffeearten“. Einige davon seien beispielsweise resistenter gegen Hitze oder bestimmte Schädlinge und könnten daher entweder direkt angebaut oder für die Züchtung von Hybriden genutzt werden. Eine schnelle Lösung sei dies aber nicht, die Kaffeepflanze brauche drei Jahre bis zur ersten Ernte und werde im Schnitt drei Jahrzehnte genutzt.
Die Kaffeenachfrage steuert den Experten zufolge die Qualität des Angebots. Dass Gütesiegel einen großen Einfluss auf die Branche haben, bezweifeln von Loeben und Preibisch. Dies liege an der enormen Preissensibilität der Verbraucher hierzulande, so der Verbandsvertreter. Von Loeben gibt zudem zu bedenken, dass Kaffee vielerorts von Kleinbauern angebaut wird. Die Zertifizierung koste jedoch viel Geld und sei auch für Kooperativen oft nicht zu stemmen.
Dirk Lachenmeier, Lebensmittelchemiker und Toxikologe am Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe, sitzt dem Wissenschaftlichen Komitee der ICC vor. Er weist auf ein großes Nachhaltigkeitsproblem hin, das über die Bohne hinausgeht: Soll die Kaffeefrucht - die bisher meist als Abfall entsorgt wird - verwertet werden, müssen diese Produkte in der Europäischen Union zunächst einen Jahre dauernden Zertifizierungsprozess durchlaufen. Gerade Kleinbauern von einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise zu überzeugen, sei vor diesem Hintergrund sehr schwierig.