Tränen, Enttäuschung und eindringliche Warnungen, aber auch Applaus und Erleichterung: Nach zweiwöchigen Verhandlungen hat die UN-Klimakonferenz den „Glasgow-Klimapakt“ beschlossen. Für Klimaschützer besonders bitter war, dass am Samstagabend in letzter Minute die Formulierung zu einer Abkehr von der Kohle auf Betreiben Chinas und Indiens deutlich abgeschwächt wurde. Erhalten blieben aber ein Bekenntnis zum 1,5-Grad-Ziel und zu einer schnelleren Überarbeitung der nationalen Klimaschutzziele.
Einigung nach zweiwöchigen Verhandlungen
Nach zweiwöchigen Verhandlungen verkündete der britische COP26-Präsident Alok Sharma die Einigung der Delegierten aus fast 200 Ländern. Auf den Hammerschlag folgte erleichterter Applaus. Zuvor hatte die kurzfristige Abänderung der Formulierung zum Kohleausstieg für Wirbel gesorgt.
Statt des Appells an die Staaten, „ihre Bemühungen in Richtung eines Ausstiegs“ aus der Kohlenutzung zu beschleunigen, wurde der Aufruf beschlossen, dass die Staaten die Nutzung von Kohlekraftwerken ohne CO2-Abscheidung „schrittweise verringern“ sollten. Einige Länder wie die Schweiz äußerten sich im Plenum enttäuscht und erbost über die Abschwächung.
Sharma entschuldigte sich bei den Delegierten mit den Tränen kämpfend dafür, wie und dass diese Last-Minute-Entscheidung zustande gekommen war. Dies tue ihm „zutiefst leid“, sagte der Brite. Der erste Appell gegen Kohle-Nutzung in einem COP-Beschluss überhaupt war vorab von vielen als eines der wichtigsten Ergebnisse der COP26 eingestuft worden.
Heftige Kritik von Entwicklungsländern an Industrieländern
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte dazu, sie habe sich die Formulierung zur Kohle zwar „noch etwas eindeutiger gewünscht“. Dennoch sei damit „jetzt weltweit der Kohleausstieg eingeleitet“.
Die am Samstagabend verkündeten Beschlüsse stärken die ehrgeizigere Zielvorgabe des Pariser Klimaabkommens, welche eine Begrenzung der Erderwärmung 1,5 Grad vorsieht. Außerdem sind die Staaten nun aufgerufen, ihre dafür noch völlig unzureichenden nationalen Klimaziele bereits bis Ende 2022 auf den Prüfstand zu stellen - drei Jahre früher als bislang geplant.
Heftige Kritik bei den Entwicklungsländern erregte die Weigerung der Industrieländer, für bereits entstandene Schäden durch den Klimawandel endlich konkrete Hilfen zuzusagen. Auch konnten sie nicht in den Beschlüssen verankern, dass die Industrieländer ihren Rückstand der vergangenen Jahre bei den versprochenen Klimahilfen in Höhe von jährlich 100 Milliarden Dollar (87,4 Milliarden Euro) zumindest nachträglich ausgleichen müssen.
Entwicklungsminister Müller stuft Ergebnisse als unzureichend ein
Auch Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) kritisierte dies: „Aus Sicht der Entwicklungsländer sind die Ergebnisse absolut unzureichend“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Glasgow habe zum Schutz ärmerer Länder vor den Klimafolgen keine befriedigende Antwort gegeben.
Bei den Hilfen zur Anpassung an den Klimawandel sind die Industriestaaten nun aufgefordert, ihre Beiträge angesichts zunehmender klimabedingter Wetterextreme zu verdoppeln. Überdies wurde nach jahrelangen Verhandlungen das Regelbuch zur konkreten Umsetzung des Pariser Abkommens abgeschlossen, unter anderem mit Regeln zur Übertragung von Emissionszertifikaten bei Klimaschutzmaßnahmen von Staaten oder Unternehmen in anderen Ländern.
Zusätzlich zu den Beschlüssen waren in Glasgow Initiativen zum Schutz des Waldes, zur Verringerung des Methangasausstoßes, für emissionsfreien Straßenverkehr und andere Klimaschutzmaßnahmen auf den Weg gebracht worden.
Klimaexperten und -aktivisten bezeichnen Ergebnisse als schwach
UN-Generalsekretär António Guterres warnte, die „Klimakatastrophe“ stehe dennoch weiter „vor der Tür“: „Unser zerbrechlicher Planet hängt am seidenen Faden.“
Das Ergebnis der Weltklimakonferenz „hält die Paris-Ziele am Leben“, erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. „Aber wir haben noch harte Arbeit vor uns.“
Der britische Premierminister Boris Johnson nannte die Vereinbarung von Glasgow einen „großen Schritt nach vorne“. Er hoffe, dass die von Großbritannien ausgerichtete Konferenz „in Zukunft als der Anfang vom Ende des Klimawandels angesehen“ werde.
Oxfam-Klimaexperte Jan Kowalzig sprach hingegen von „kleinen Schritten“ statt einem „echten Erfolg“. Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan nannte die Vereinbarungen „bescheiden“ und „schwach“.
Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg bekräftige ihren Vorwurf, die Verhandlungen bei der Weltklimakonferenz seien lediglich „Blabla“. „Die wirkliche Arbeit geht außerhalb dieser Hallen weiter“, schrieb sie auf Twitter. „Und wir werden niemals aufgeben, niemals.“
14 Nov. 2021
AFP
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