Nach der von Betrugsvorwürfen überschatteten Parlamentswahl in Kirgistan überschlagen sich die Ereignisse in dem zentralasiatischen Land: Ministerpräsident Kubatbek Boronow trat am Dienstag zurück, wie der parlamentarische Pressedienst mitteilte. Zum Nachfolger wurde der zuvor von Demonstranten aus dem Gefängnis befreite nationalistische Politiker Sadyr Schaparow gewählt.
Nachdem das politische Lager von Staatschef Sooronbai Dscheenbekow zum Wahlsieger erklärt worden war, war es zu massiven Protesten gekommen. Daraufhin wurde das Wahlergebnis annulliert.
„Schaparow wurde zum amtierenden Ministerpräsidenten der Kirgisischen Republik gewählt“, hieß es in einer Erklärung. Die Entscheidung sei auf einer außerordentlichen Sitzung des Parlaments getroffen worden. Die Wahl fand demnach in einem Hotel statt, nachdem Demonstranten das Parlament besetzt hatten. Schaparow gilt als Kritiker des Präsidenten.
Erneut hunderte Demonstranten auf der Straße
Doch auch nach der Wahlannullierung und Ernennung von Schaparow zum Ministerpräsidenten sind die Menschen erneut auf die Straße gegangen. Etwa 2000 Demonstranten versammelten sich am Mittwoch in der Hauptstadt Bischkek und forderten eine neue Regierung und den Rücktritt von Präsident Sooronbaj Dscheenbekow, wie kirgisische Medien berichteten. Das Innenministerium bezeichnete die Lage als stabil. Die Polizei halte sich aber bereit. Zu neuen Ausschreitungen war es demnach nicht gekommen.
Den Gegnern des Präsidenten war es in der Nacht zu Dienstag auch gelungen, den wegen Korruption inhaftierten Ex-Staatschef Almasbek Atambajew aus dem Gefängnis zu befreien. Atambajew war von 2011 bis 2017 Präsident.
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden bei den Ausschreitungen in dieser Woche mehr als 600 Menschen verletzt, ein Mann kam ums Leben. In der Nacht zum Dienstag stürmten und besetzten die Demonstranten schließlich das Parlamentsgebäude, in dem auch Dscheenbekow seinen Amtssitz hat. Der zurückgetretene Boronow ist ein Unterstützer Dscheenbekows.
Russland über Entwicklungen in Kirgistan besorgt
Nach den Protesten erklärte der Präsident noch am Dienstagmorgen, die Lage unter Kontrolle zu haben. Der Staatschef „kontrolliert die Situation und drückt sein Vertrauen aus, dass alle politischen Kräfte das Interesse des Landes über ihr eigenes stellen werden“, hieß es in einer vom Präsidialamt veröffentlichten Erklärung. Dscheenbekow habe Anweisung erteilt, nicht auf die Demonstranten zu schießen und „kein Blut zu vergießen“.
Russland zeigte sich besorgt über die Ausschreitungen und das Eindringen von Demonstranten in Regierungsgebäude. „Wir sind sicherlich besorgt“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow noch vor dem Rücktritt von Ministerpräsident Boronow. Die russische Regierung hoffe, dass die Politiker in Kirgistan so schnell wie möglich eine gesetzmäßige Lösung für die Unruhen fänden. Die turksprachige Kirgistan ist eine ehemalige Sowjetrepublik, Russland versucht seinen Einfluss auf solche ehemals besetzten Staaten aufrechtzuerhalten.