In den vergangenen Wochen waren zwei ähnliche Resolutionsentwürfe am Widerstand der USA gescheitert. / Photo: DPA (dpa)
Folgen

Der Kompromiss im UN-Sicherheitsrat für eine Erweiterung der humanitären Hilfe für etwa zwei Millionen notleidende Palästinenser im Gazastreifen, die seit dem 7. Oktober israelischen Luftangriffen und einer Lebensmittelblockade ausgesetzt sind, sorgt für Kontroversen. Neben einer ersten Erleichterung darüber, dass das mächtigste UN-Gremium angesichts des grenzenlosen Leids der palästinensischen Bevölkerung nicht vollends blockiert ist, herrschte auch weit verbreitete Skepsis über die Qualität des Beschlusses, da dieser keine klare Aufforderung an Israel zu einer Waffenruhe enthält.

UN-Generalsekretär António Guterres sagte, es sei „unverzüglich noch viel mehr nötig“, um den Menschen im Gazastreifen zu helfen. Auch eine Reihe von Ländern im Rat hatte sich nach der Abstimmung enttäuscht über den verwässerten Text gezeigt, dessen Annahme sie trotzdem für nötig hielten. Das Papier fordert Israel unter anderem auf, „unverzüglich einen sicheren und ungehinderten humanitären Zugang“ in den Gazastreifen zu ermöglichen.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres spricht im UN-Hauptquartier zu Journalisten. Guterres hat sich skeptisch über die vom Weltsicherheitsrat angenommene Gaza-Resolution geäußert. (DPA)

Kritiker der Resolution stören sich vor allem daran, dass eine Forderung nach einem Aussetzen der brutalen Luftangriffe Israels auf Zivilisten im Gazastreifen auf Druck der USA aus dem Papier gestrichen wurde. „Ein humanitärer Waffenstillstand ist die einzige Möglichkeit, den dringenden Bedürfnissen der Menschen in Gaza gerecht zu werden und ihren anhaltenden Alpträumen ein Ende zu setzen“, sagte Guterres dazu. Der 74-jährige Portugiese ließ dabei keinen Zweifel daran, dass Israel einen Großteil der Gaza-Hilfslieferungen blockiert.

Keine Forderung zur Waffenruhe

Die Verhandlungsführerin der Resolution, die emiratische Botschafterin Lana Nusseibeh, nannte den Text „nicht perfekt“ und betonte ebenfalls die Notwendigkeit einer Waffenruhe. Auch China äußerte deshalb Enttäuschung. Offen bleibt auch, wie viel Einfluss die Resolution tatsächlich haben wird. Trotz ihrer völkerrechtlichen Verbindlichkeit dürften die Konsequenzen für Israel bei Zuwiderhandlung überschaubar sein.

Die 15 Mitglieder des Sicherheitsrates hatten tagelang um die Resolution gerungen und eine Abstimmung immer wieder verschoben, um ein drohendes Veto der USA zu verhindern. Washington hatte sich zwischenzeitlich bereits auf eine Ablehnung festgelegt, um die Interessen seines Verbündeten Israel zu verfolgen. Massive Zugeständnisse der Unterhändler verhinderten ein Scheitern des Beschlusses jedoch in letzter Sekunde. Insgesamt stimmten schließlich 13 der 15 Länder für den Text, neben den USA enthielt sich auch Russland. Der britische Außenminister David Cameron sprach von einem „schwierigen Prozess“.

Linda Thomas-Greenfield, US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, hebt während der Sitzung des Sicherheitsrates im Hauptquartier der Vereinten Nationen die Hand zur Abstimmung. (DPA)

Gazastreifen am Rande der Hungerkatastrophe

Als Folge des israelischen Vernichtungskriegs gegen Gaza ist seit den vergangenen zehn Wochen die humanitäre Situation der mehr als zwei Millionen Palästinenser katastrophal. Eine aktuelle UN-Studie kommt zu dem Schluss, dass in dem abgeriegelten Küstenstreifen 577.000 Menschen in die schwerwiegendste Kategorie des Hungers fallen. Im gesamten Rest der Welt zusammen gibt es dagegen gegenwärtig 129.000 Menschen, die ähnlich bedroht seien. Fast alle Menschen im Gazastreifen leiden unter Hunger oder Vertreibung. Israel hatte den Gazastreifen nach dem Vergeltungsangriff der palästinensischen Organisation Hamas vom 7. Oktober abgeriegelt und angegriffen.

Die US-Regierung hatte offenbar bei der Verhandlungen auch intern mit sich gerungen. Sicherheitsratskreisen zufolge waren führende Diplomatinnen und Diplomaten bereits deutlich früher zu einer Enthaltung bereit, die den Weg für eine Resolution frei gemacht hätte. US-Präsident Joe Biden legte sich demnach jedoch auf ein Veto fest. Erst direkte Verhandlungen von US-Außenminister Antony Blinken mit arabischen Amtskollegen sollen die Haltung Bidens teilweise geändert haben.

In den vergangenen Wochen waren zwei ähnliche Resolutionsentwürfe am Widerstand der USA gescheitert. Washington hatte sich stets hinter Israels Aggression gestellt. Bislang hat der Weltsicherheitsrat nur vor einigen Wochen eine völkerrechtlich bindende Resolution mit humanitärem Fokus zu dem Konflikt verabschiedet. Die UN-Vollversammlung hat dagegen schon zweimal per Resolution ein Ende der israelischen Gewalt gefordert. Die Resolutionen dieses Gremiums sind allerdings nicht bindend, sondern gelten eher als symbolisch.

Mittlerweile beklagen die Menschen im Gazastreifen mehr als 20 Tausend Todesopfer infolge israelischer Angriffe. Hunderttausende gelten seit dem 7. Oktober als vertrieben und haben keinen Zugang zu menschenwürdiger Versorgung mit Lebensmitteln und Arzneien.

TRT Deutsch und Agenturen