Trotz der verschärften Sicherheitslage in Israel dauern die Proteste gegen die umstrittene Justizreform der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu weiter an. Wie schon seit Wochen gingen am Samstagabend erneut tausende Menschen in Tel Aviv, Jerusalem und anderen Städten auf die Straße, um gegen das Vorhaben der ultrarechten Koalition zu protestieren, obwohl Netanjahu am 27. März eine Pause im Gesetzgebungsverfahren verkündet hatte.
An der landesweit größten Demonstration in Tel Aviv beteiligten sich nach Angaben der Organisatoren 258.000 Menschen; die Polizei nannte zunächst keine Zahlen. Wie nun schon seit 14 Wochen üblich schwenkten die Demonstranten israelische Fahnen und hielten Transparente mit Aufschriften wie „Rettet die Demokratie“ und „Netanjahu führt uns in den Krieg“ hoch.
Israelischen Truppen dringen in Al-Aqsa-Moschee ein
Die Lage in Israel ist derzeit äußerst angespannt. In Tel Aviv waren am Freitagabend bei einem Anschlag an der belebten Strandpromenade ein 36-jähriger italienischer Tourist getötet und sieben weitere Touristen verletzt worden. Der Attentäter rammte die Passanten mit seinem Wagen, bevor er erschossen wurde.
Wenige Stunden zuvor waren im besetzten Westjordanland zwei israelisch-britische Schwestern aus der Siedlung Efrat bei einem Schusswaffenangriff getötet worden. Ihre Mutter wurde lebensgefährlich verletzt.
Die Unruhen fallen mit dem muslimischen Fastenmonat Ramadan, dem jüdischen Pessachfest und dem christlichen Osterfest zusammen. Trotz eindringlicher Appelle zur Zurückhaltung geht die Gewalt täglich weiter, seit die israelische Polizei am Mittwoch gewaltsam in die Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem eingedrungen war. Dabei wurden hunderte Menschen festgenommen. Die Moschee und der Tempelberg im besetzten Ostjerusalem stehen unter palästinensischer Verwaltung.
Israel antwortet mit Gegenbeschuss
Als Reaktion war Israel heftigem Raketenbeschuss aus dem Libanon und dem Gazastreifen ausgesetzt, wofür Israel die palästinensische Hamas verantwortlich machte. Israel griff daraufhin Gebiete im Gazastreifen und Südlibanon an.
Am späten Samstagabend wurden drei Raketen aus Syrien auf Israel abgefeuert, wie die israelische Armee mitteilte. Ein Geschoss landete demnach auf „offenem Gelände“ im Süden der von Israel annektierten Golanhöhen ein. Am selben Tag wurde im Norden des Westjordanland ein 20-jähriger Palästinenser von israelischen Soldaten erschossen, wie das palästinensische Gesundheitsministerium mitteilte.
Die israelische Luftwaffe schoss nach Militärangaben in der Nacht zum Sonntag auf die syrischen Raketenwerfer, von denen die Raketen abgefeuert worden waren. Zudem teilte die israelische Luftwaffe mit, sie habe ein Militärgelände der syrischen Armee getroffen sowie von der Armee genutzte Radarsysteme und Artillerieposten.
Israels Angriffe auf mehrere Orte im Süden des Landes hätten Sachschäden verursacht, meldete Syriens staatliche Nachrichtenagentur Sana. Mehrere Raketen des Nachbarlandes seien abgefangen worden.
Israel mobilisiert Militär
Israel mobilisierte indes weitere Teile seines Militärs. Ab Sonntag sollen vier Reservebataillone der Grenzpolizei in den Stadtzentren eingesetzt werden, das Verteidigungsministerium bestätigte zudem am Samstagabend die Mobilisierung von Soldaten zur Unterstützung der Polizei. Gleichzeitig kündigte es an, die Einreisebeschränkungen nach Israel für Palästinenser aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen zu verschärfen. Dies gelte insbesondere für Arbeiter.
Seit Anfang Januar hat der israelisch-palästinensische Konflikt mindestens 92 Palästinenser, 18 Israelis, eine Ukrainerin und einen Italiener das Leben gekostet, wie eine Zählung der AFP auf der Grundlage offizieller Angaben beider Seiten ergab.