Nach der Auflösung des Parlaments in Jerusalem muss in Israel im Frühjahr erneut gewählt werden. Der Urnengang am 23. März ist die vierte Wahl in dem Land seit April 2019. Der rechtskonservative Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte in einem am Mittwoch veröffentlichten Video, die Neuwahl sei ein Fehler, gab sich aber dennoch siegesgewiss. „Wenn uns Wahlen aufgezwungen werden, dann verspreche ich, dass wir gewinnen werden“, sagte der 71-jährige Vorsitzende der Likud-Partei.
Das Parlament (Knesset) hatte sich am Dienstag um Mitternacht (Ortszeit) automatisch aufgelöst. Zuvor war die Frist für eine Einigung auf den Haushalt für das Jahr 2020 abgelaufen. Der Koalition Netanjahus mit Verteidigungsminister Benny Gantz vom Mitte-Bündnis Blau-Weiß war es nicht gelungen, im Etatstreit eine Einigung zu finden. Kritiker werfen Netanjahu vor, er habe den Zwist als Vorwand verwendet, um zu verhindern, dass Gantz ihn vereinbarungsgemäß im Herbst kommenden Jahres als Regierungschef ablöst.
Israels Zentrales Wahlkomitee stellt sich jetzt auf einen Urnengang inmitten der Corona-Pandemie ein. Die Vorsitzende Orly Adas sagte am Mittwoch, auch Menschen mit positiven Corona-Tests sollten die Gelegenheit erhalten, ihre Stimme abzugeben.
Bei einer Neuwahl ist mit einer deutlich veränderten Parteienkonstellation zu rechnen. Netanjahus Likud wird nach Umfragen bei der Neuwahl wieder stärkste Partei werden. Der 71-Jährige kann im Wahlkampf auf außenpolitische Erfolge wie die Annäherungsabkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, dem Sudan und Marokko pochen. Seine Corona-Politik wurde häufig als sprunghaft kritisiert, er selbst stellt sie jedoch als großartige Erfolgsgeschichte dar.
Netanjahu muss bei Regierungsbildung mit Schwierigkeiten rechnen
Gegen Netanjahu läuft ein Korruptionsprozess. Gantz hat dem 71-Jährigen vorgeworfen, er wolle alles unternehmen, um einer Verurteilung zu entgehen. Kritiker sehen den am längsten amtierenden Ministerpräsidenten Israels als Gefahr für die Demokratie in dem Land.
Trotz seines einmaligen politischen Talents muss Netanjahu bei der Regierungsbildung erneut mit Schwierigkeiten rechnen. Zwar ist das rechte Lager nach Umfragen stark wie nie. Es ist jedoch zersplittert zwischen verschiedenen Parteien, deren Vorsitzende alle als bittere Rivalen Netanjahus gelten, die selbst Regierungschef werden wollen.
Netanjahus stärkster Herausforderer ist nun sein früherer Widersacher im Likud, Gideon Saar, der an der Spitze der neuen Partei Tikva Chadascha (Neue Hoffnung) antritt. Er hat ein Bündnis mit Netanjahu ausgeschlossen.
Das Bündnis um Gantz ist inzwischen weitgehend zerbröselt. Es ist sogar unklar, ob Blau-Weiß diesmal die 3,25-Prozenthürde schafft. Gantz' früherer Weggefährte, Oppositionsführer Jair Lapid von der Zukunftspartei, ist dagegen stärker geworden.