Ein Kind wird im Gesundheitszentrum von Deir al-Balah gegen das Polio-Virus geimpft. / Photo: DPA (dpa)
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Im Zentrum des von Israel angegriffenen Gazastreifens hat die Kampagne zur Impfung Hunderttausender Kinder gegen das Polio-Virus begonnen. Das bestätigten die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf sowie das Gesundheitsministerium in Gaza. Die Massenimpfung werde von den lokalen Gesundheitsbehörden, dem UN-Kinderhilfswerk Unicef und dem UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA durchgeführt, sagte eine WHO-Sprecherin.

Ein Krankenhaussprecher in Deir al-Balah sagte der Deutschen Presse-Agentur, es werde zunächst in mehreren Zentren und Schulen im zentralen Abschnitt des Küstenstreifens geimpft. Dies betreffe auch mehrere Flüchtlingsviertel in dem Gebiet.

Kampagne soll Polio-Ausbruch verhindern

Kliniken, Arztpraxen und mobile Teams sollen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) rund 640.000 Kinder im Gazastreifen gegen das hochansteckende Virus impfen, das zu den für Polio typischen Lähmungen führen kann. Üblicherweise werden zwei Impfdosen im Abstand von vier Wochen verabreicht.

Nachdem es kürzlich den ersten Fall von Kinderlähmung seit 25 Jahren in den angegriffenen Palästinensergebiet gab, soll mit der Impfkampagne ein massiver Ausbruch der Krankheit vermieden werden.

Seit Beginn des israelischen Vernichtungskrieges in Gaza konnten viele Babys in dem abgeschotteten Küstengebiet nicht geimpft werden. Die schlimmen hygienischen Zustände im Gazastreifen, wo sauberes Wasser knapp ist, viele Menschen auf engstem Raum ausharren und sich auch zahlreiche Vertriebene drängen, können laut WHO zu einer raschen Ausbreitung der Krankheit beitragen.

Kinderlähmung ist unheilbar

Polio wird auch Kinderlähmung genannt, weil der Erreger einst so verbreitet war, dass der Kontakt damit meist schon im Kindesalter erfolgte und vor allem Kleinkinder von Lähmungen betroffen waren. Verbreitet wird das hochansteckende Virus meist über kontaminierte Hände als sogenannte Schmierinfektion, in Ländern mit unzureichendem Hygienestandard auch über verunreinigtes Wasser.

Nur in etwa einem von 200 Fällen führt eine Infektion zu den für Polio typischen irreversiblen Lähmungen - und das zudem nur bei Ungeimpften. Eine Heilung gibt es bisher nicht.

Durch die 1988 initiierten weltweiten Impfkampagnen konnten laut WHO bis heute rund 20 Millionen Menschen vor einer Lähmung und anderthalb Millionen vor dem Tod bewahrt werden. Vor Einführung von Schutzimpfungen gab es allein in Deutschland tausende Erkrankte und hunderte Todesfälle jährlich. Inzwischen sind die Impfquoten vielerorts allerdings viel zu niedrig.

Der palästinensische Säugling Abdul Rahman Abu Al-Jidyan, 11 Monate, der an Polio erkrankt ist, wird von seiner Familie in einem Zelt in einer Unterkunft für Vertriebene im Zentrum des Gazastreifens versorgt. (DPA)

Humanitäre Krise in Gaza

Israel startete nach dem Vergeltungsschlag der Widerstandsorganisation Hamas am 7. Oktober einen Vernichtungskrieg in Gaza. Erklärtes Ziel der israelischen Angriffe ist die Zerschlagung der Hamas, doch es wurden bisher Zehntausende Zivilisten getötet.

Israel stoppte die Versorgung des Gazastreifens mit Wasser, Lebensmitteln, Treibstoff und Strom und startete zugleich massive Luftangriffe. Anschließend drangen Bodentruppen in den dicht besiedelten Küstenstreifen ein.

Humanitäre Hilfslieferungen werden von Israel behindert. Mehr als eine Million Menschen wurden gezwungen, in den Süden zu flüchten. Mittlerweile ist die Infrastruktur in Gaza fast komplett zerstört und es gibt kaum noch unbeschädigte Gebäude. UN-Organisationen bezeichnen die humanitäre Lage vor Ort als katastrophal.

Von den 36 Krankenhäusern in Gaza sind nur noch wenige teilweise in Betrieb. Zudem leidet laut Hilfsorganisationen ein Großteil der rund zwei Millionen Menschen an Infektionskrankheiten, die aktuell nicht behandelt werden können.

Palästinensischen Angaben zufolge wurden seit dem 7. Oktober mehr als 39.600 Palästinenser getötet – die meisten davon Frauen und Minderjährige. Rund 92.000 Menschen wurden demnach verletzt. Die Dunkelziffer wird weitaus höher geschätzt, da vermutlich noch Tausende Tote unter den Trümmern liegen und nicht geborgen werden können. Zudem sollen rund 10.000 Palästinenser von israelischen Soldaten verschleppt worden sein.

TRT Deutsch und Agenturen