Nach Israels Massaker in einem Flüchtlingslager im Süden des Gazastreifens hat der UN-Sicherheitsrat für Dienstag eine Dringlichkeitssitzung einberufen. Die Sitzung zur Lage in Rafah werde hinter verschlossenen Türen abgehalten, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP aus Diplomatenkreisen.
Dem Gesundheitsministerium im Gazastreifen zufolge wurden 45 Menschen getötet, die Zahl der Verletzten liege bei 249. Nach palästinensischen Angaben handelt es sich bei dem Camp um das vom UN-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) betriebene Vertriebenenlager Barkasat nordwestlich von Rafah.
Demnach löste der nächtliche Luftangriff ein Feuer in dem Lager aus. AFP-Bilder zeigten die verkohlten Überreste von behelfsmäßigen Zelten und Fahrzeugen. Im Netz kursieren verstörende Bilder von verbrannten Menschenkörpern, darunter auch Kinder. Eine Aufnahme soll einen Vater zeigen, der die kopflose Leiche seines Kindes hält.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sprach mit Blick auf das Massaker, das international scharfe Kritik hervorrief, von einem „tragischen Missgeschick“. Die israelische Armee habe eine Untersuchung eingeleitet, hieß es. Derweil berichteten AFP-Journalisten von neuen Angriffen Israels auf Rafah.
Die Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats ist für Dienstagnachmittag (Ortszeit) geplant, wie es aus Diplomatenkreisen hieß. Beantragt wurde sie von Algerien. UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte derweil den tödlichen Luftangriff, bei dem nach Behördenangaben aus Gaza 45 Menschen getötet wurden.
Es seien zahlreiche unschuldige Zivilisten getötet worden, die Schutz vor dem tödlichen Konflikt gesucht hätten, erklärte Guterres. Es gebe keinen sicheren Ort im Gazastreifen, fuhr er fort. „Dieser Horror muss aufhören.“ Der UN-Menschenrechtsbeauftragte Volker Türk sprach von „entsetzlichen“ Bildern.
Bundesregierung reagiert zurückhaltend
Die US-Regierung, die seit Monaten Waffenlieferungen an Israel genehmigt, zeigte sich besorgt über die zahlreichen toten Zivilisten. Die Bilder von dem Lager, in dem „Dutzende von unschuldigen Palästinensern“ getötet worden seien, seien „niederschmetternd“ und „herzzerreißend“, erklärte in Washington ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus. Israel müsse „jede mögliche Vorsichtsmaßnahme ergreifen, um Zivilisten zu schützen“, sagte er.
In Berlin äußerte sich die Bundesregierung zurückhaltend. Ob es sich dabei um ein Kriegsverbrechen handle, müssten Juristen klären, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. „Wenn so etwas passiert, ist das verurteilungswürdig.“
Die israelische Armee behauptete, „einen Hamas-Komplex in Rafah getroffen“ zu haben, in dem „wichtige Hamas-Terroristen tätig waren“. Bei dem Angriff seien zwei ranghohe Hamas-Vertreter getötet worden, die im besetzten Westjordanland an der Planung von Anschlägen beteiligt gewesen seien.
In der Stadt Rafah an der Grenze zu Ägypten hatten mehr als eine Million Palästinenser Zuflucht vor dem israelischen Vernichtungskrieg gesucht. Derweil gab es am Dienstag weitere israelische Angriffe auf Rafah. AFP-Teams berichteten von Luftangriffen und Schüssen im Zentrum und im Westen von Rafah.
Spanien, Irland und Norwegen wollen am Dienstag derweil offiziell Palästina als Staat anerkennen. Dafür ist eine Pressekonferenz in Brüssel geplant.
Israelischer Vernichtungskrieg in Gaza
Israel hatte nach dem Vergeltungsschlag der palästinensischen Organisation Hamas am 7. Oktober einen Vernichtungskrieg in Gaza gestartet. Erklärtes Ziel ist die Zerschlagung der Hamas, doch es wurden bisher Zehntausende Zivilisten getötet.
Humanitäre Hilfslieferungen werden von Israel seitdem behindert. Fast zwei Millionen Menschen wurden gezwungen, in den Süden zu flüchten. Doch auch dort sind sie israelischen Angriffen ausgesetzt. Zudem herrscht eine akute Hunger-Krise, die Hungertote fordert.
Nach palästinensischen Angaben wurden in Gaza seit dem 7. Oktober mehr als 36.000 Menschen getötet und mehr als doppelt so viele verletzt. Die Zahl könnte weit höher sein, da noch viele Tote unter den Trümmern liegen und nicht geborgen werden können. Beim Großteil der Todesopfer handelt es sich laut örtlichen Berichten um Frauen und Kinder.