Unmenschliche Haftbedingungen, Folter und Hinrichtungen: Das Sednaya-Gefängnis ist ein Symbol für die grausame Herrschaft des langjährigen syrischen Machthabers Baschar al-Assad. Bei ihrer ersten Reise nach Syrien seit dem Sturz Assads besuchte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Freitag deshalb auch die Haftanstalt im Norden von Damaskus und sprach von einem „Höllengefängnis“.
Assads Vater und Vorgänger Hafes al-Assad hatte das Gefängnis in den 1980er Jahren in einem trockenen Tal nahe der Hauptstadt bauen lassen – hauptsächlich für politische Gegner. Besonders seit Beginn des Bürgerkriegs 2011 spielte Sednaya eine zentrale Rolle in Assads Gewaltherrschaft.
Häftlinge wurden befreit
Als die syrischen Rebellen am 8. Dezember in Damaskus einmarschierten, öffneten sie auch die Türen des riesigen Gefängniskomplexes. Mehr als 4000 Häftlinge, die zum Teil seit Jahrzehnten dort einsaßen, waren plötzlich frei, wie die Vereinigung der Gefangenen und Verschwundenen des Sednaya-Gefängnisses (ADMSP) mitteilte. Die Bilder von ausgemergelten Gefangenen, von denen manche aus den Zellen getragen werden mussten, gingen um die Welt und wurden zum Sinnbild für den Sturz von Langzeitherrscher Assad.
Welche Grausamkeiten und Qualen die Menschen in Sednaya erlitten, war schon seit Jahren bekannt. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International beschrieb das Gefängnis als „Schlachthaus“ für Menschen. Bereits 2016 hatte die Organisation in einem erschütternden Bericht eine „Politik der Vernichtung“ des syrischen Regimes gegen die eigene Bevölkerung dokumentiert. Folterungen, gezieltes Aushungern und willkürliche Hinrichtungen waren demnach in Sednaya an der Tagesordnung.
Sexuelle Gewalt und Folter in Sednaya
Im selben Jahr warfen UN-Ermittler dem Assad-Regime vor, besonders in Sednaya„Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie Morde, Vergewaltigungen oder andere Formen sexueller Gewalt, Folter, Inhaftierungen, Verschwindenlassen und andere unmenschliche Handlungen“ begangen zu haben. 2017 berichteten die USA von einem „Krematorium“ in der Anlage, in dem die Leichen Tausender Gefangener verbrannt worden seien.
Die Vereinigung ADMSP geht davon aus, dass zwischen 2011 und 2018 mehr als 30.000 Gefangene innerhalb des Gefängnisses hingerichtet wurden oder durch Folter, mangelnde medizinische Versorgung oder an Unterernährung starben. Da es nicht genügend Kühlräume gab, richtete das Gefängnis Kammern mit Salz als behelfsmäßige Leichenhallen ein, um die vielen Toten aufzubewahren.
Die Familien der Inhaftierten erfuhren kaum etwas über deren Schicksal. Mitglieder des Assad-Clans, Anwälte und Beamte nutzten die Verzweiflung der Angehörigen aus, um hunderte Millionen Euro von ihnen zu erpressen für Informationen, die sie am Ende oft schuldig blieben. Tausende Syrier gelten noch immer als vermisst. Nach Assads Sturz strömten ihre Angehörigen nach Sednaya in der Hoffnung, dort Hinweise über ihren Verbleib zu finden. Viele Dokumente wurden jedoch vernichtet.
„Ein Eckpfeiler für die Versöhnung“
Es sei Aufgabe der internationalen Gemeinschaft, zu helfen, „den Menschen, die hier in diesem Höllengefängnis gelitten haben, Gerechtigkeit zu verschaffen“, sagte Baerbock nach ihrem Besuch in Sednaya. Denn Gerechtigkeit sei „ein Eckpfeiler für die Versöhnung“ in Syrien. Dafür sei es wichtig, Beweise zu sichern.
2017 hatten frühere Gefangene beim deutschen Generalbundesanwalt Strafanzeige gegen mehrere ranghohe syrische Armeeangehörige erstattet, unter anderem wegen Folter in Sednaya. Die Bundesanwaltschaft nahm daraufhin Ermittlungen auf.
Am 26. Dezember nahmen die Sicherheitskräfte der syrischen Übergangsregierung den General Mohammed Kandscho Hassan fest, den Leiter der Militärjustiz unter Assad, wie die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte. Er soll für zahlreiche Todesurteile in Sednaya verantwortlich sein.